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D - Gasteinertal/Dokumentation: Gasteiner Kur im 19. Jh. - Burkhard Eble, 1834
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Krankheiten

Burkhard Eble beschreibt in seinem Buch "Die Bäder zu GASTEIN" die Behandlungsmöglichkeiten zahlreicher Erkrankungen, insbesondere die a. Anzeigenden und b. Gegenanzeigenden Krankheitsverhältnisse. So meint Burkhard Eble im Kapitel "Bestimmung der An- und Gegenanzeige dieses Wassers, in Bezug auf gewisse Krankheiten." einleitend:
"Bevor ich jedoch die speciellen Krankheitsprocesse, bei denen der Gebrauch unserer Thermen sich heilsam erwiesen, zusammenreihe, stelle ich folgenden Satz als allgemein gültig auf: Das Gasteinerbad kann in allen Krankheitsfällen ohne Unterschied, denen nicht ein Übermass des Lebensprocesses, eine krankhafte Erhöhung der Lebensthätigkeit zu Grunde liegt, von Nutzen seyn." -
Im Gegenzug finden sich zu den Gegenanzeigen des Badgebrauches die Worte das Arztes Niederhuber:
"Krankheiten, bei welchen der Gebrauch des Gasteinerbades schädlich seyn kann, sind überhaupt jene, bei welchen die Reizbarkeit sehr überspannt, oder ein entzündlicher Zustand im Körper zugegen ist, und endlich, bei welchen die ganze körperliche Maschine im Ganzen, oder in gewissen wesentlichen Theilen so sehr verletzt und verdorben ist, dass die Nerven ausser Stand sind, stärkere Eindrücke auszuhalten, ohne in sehr unordentliche Bewegungen zu gerathen, von welchen eine gänzliche Zerstörung besorgt werden muss. In dieser letzten Beziehung muss man eigentlich jenes krankhafte Verhältniss vor Augen haben, in denen der Organismus im Ganzen, oder wenigstens in lebenswichtigen Theilen so zerrüttet ist, dass von der Naturheilkraft nichts mehr erwartet werden kann. In solchen Fällen hilft denn auch weder dieses, noch ein anderes Bad, und sie werden daher in der Regel zu den unheilbaren gewählt. " - Auf welche Weise das Heilwasser dann gebraucht werden soll, wird im Kapitel der → Anwendungsweise - abgehandelt.

Bestimmung der An- und Gegenanzeige dieses Wassers
in Bezug auf gewisse Krankheiten

Burkhard Eble, 1834

a. → Anzeigende Krankheitsverhältnisse. - Der allgemeinen Heilanzeige wird die gesunkene Vitalität, die Asthenie des Lebensprozesses genannt und betrifft Krankheiten wie:
die → allgmeine Schwäche - insbesondere nach langwierigen fieberhaften und chronischen Erkrankungen, im Alter oder im Gefolge einer unvollkommenen, langwierigen Rekonvalescenz, dann bei - Lähmungen aller Art - wie die traumatischen, gichtischen und rheumatischen, noch nicht veralteten Lähmungen besonders gut ansprechen. Weiter bei → Nervenschwäche - und selbst psychischen Erkrankungen, besonders aber bei → Unfruchtbarkeit und männlicher Impotenz - wobei es heißt, das Bad mache unkeusch und Frauen schwanger.
Eine besänftigende, beruhigende Wirkung stellt sich ein bei krankhafter Reizempfänglichkeit des Nervensystems, wie der Hypochondrie und Hysterie, Krämpfen, Zittern, Magenbeschwerden, Epilepsie, wenn ihnen keine organische Ursache zugrunde liegt; weiter zahlreiche Gelenksbeschwerden, Harnverhalten und Koliken.
Als Folge von "Anschoppungen der Eingeweide und Drüsen" gelten metastatischen Lungenleiden, Schleimschwindsucht, Congestionen im Unterleib, Sand und Steinbeschwerden mit besonderer Erwähnung der - Gicht -
Zu den sogenannten äußeren Krankheiten mit Heilwirkung im Bad zählen die → Chronischen Hautauschläge - wie Krätze und Flechte, Rotlauf und Pemphigus. → Eiternde Wunden - werden durch das Bad geheilt, ebenso → Geschwüre - welche mehrere Jahre schon bestehen und schlecht heilende Wunden und Knochenbrüche. Herr Protomedicus und Regierungs-Rath Streinz konnte nachweisen, dass allgemeine Schwäche, Hysterie, Hypochondrie, Menstruationsbeschwerden, Gicht und Rheumatismus diejenigen Krankheiten sind, die am besten auf die Badekur ansprachen.

b. → Gegenanzeigende Krankheitsverhältnisse. - Der Gebrauch des Gasteinerbades ist dann schädlich, wenn ein entzündlicher Prozess vorliegt, der den ganzen Organismus betrifft bzw. wenn lebenswichtige Organe so zerrüttet sind, das keine Heilung mehr erwartet werden kann und/oder die Nerven außer Stande sind, stärkere Eindrücke auszuhalten. Dazu gehören alle → aktiven Entzündungen - mit Fieber → Geisteskrankheiten - und sehr sensiblen Hypochondristen, bei → aktiven Blutungen - insbesondere Bluthusten. Bei → Eiterungsprozessen innerer Organe - Kachexie, Sucht aller Art und Blutadergeschwülsten ist ein Bad ebenfalls nicht angebracht.

Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
a. Anzeigende Krankheitsverhältnisse.
Bevor ich jedoch die speciellen Krankheitsprocesse, bei denen der Gebrauch unserer Thermen sich heilsam erwiesen, zusammenreihe, stelle ich folgenden Satz als allgemein gültig auf: Das Gasteinerbad kann in allen Krankheitsfällen ohne Unterschied, denen nicht ein Übermass des Lebensprocesses, eine krankhafte Erhöhung der Lebensthätigkeit zu Grunde liegt, von Nutzen seyn. Dieser wichtige Satz, welcher gewiss nur auf wenige Bäder oder Gesundbrunnen passt, fliesst unmittelbar aus der oben (§. 27 N. 5) angegebenen allgemeinsten, und wesentlichen Wirkung des Gasteinerbades, welche wir als eine belebende hingestellt haben. Damit jedoch meine Worte nicht missgedeutet werden, mache ich aufmerksam darauf, dass ich sage: es könne, nicht aber es müsse von Nutzen seyn. - Der allgemeinen Heilanzeige entspricht demnach die gesunkene Vitalität, Asthenie des Lebensprocesses; die besondere Anzeige spricht sich bei folgenden Krankheiten aus:

Vermög seiner gelind reizenden, belebenden und stärkenden Kraft ist es angezeigt: 1. In allen Arten von allgemeiner Schwäche, in so fern diese nicht mit einem bedeutend fieberhaften Zustand verbunden ist. Besonders gehört hieher die directe Schwäche, welche nach langwierigen, fieberhaften und chronischen Krankheiten, nach starkem oder häufigem Verlust der Säfte, namentlich des Samens, Schleimes, der Milch, nach grossen und lange dauernden Eiterungen, und im Gefolge einer unvollkommnen, langwierigen Reconvalescenz, so wie nach starken Anstrengungen des Geistes durch excessive Studien, eintritt. Je reiner die Schwäche sich beurkundet, d. h. je weniger sie von materiellen und organischen Fehlern abhängt, desto gewisser, grösser und ausgezeichneter ist der Erfolg und Nutzen des Bades. Auch ist hieher ganz besonders jene Schwäche zu rechnen, welche sich ohne Zeichen einer besondern Krankheitsform zu dem zwar gesunden, aber vorgerückten, so wie zu dem etwas frühe eingetretenen Alter gesellt; und in der That scheinen nur wenige der bekannten Bäder so wohlthätig kräftigend auf die Alten einzuwirken, als eben das zu Gastein•); ja man kann es vorzugsweise vor allen übrigen das Bad für Alte nennen.

•) Was Dr. Kaiser ron Pfäfers sagt, gilt wörtlich auch von Gastein: Es ist ein wahres verjüngendes, Leben verlängerndes Mittel. Wenn man steife, gleichsam eintrocknende Greise, wo die Natur unwiderstehbar ihr Recht zu behaupten scheint, nach wenigen Bädern heitern Gesichtes und lebhaftern Ganges beobachtet, so konnte man sich verleiten lassen, zu glauben, man hatte die wahre Lebenspanacee gefunden.

Daher geniesst es aber auch gerade von diesen den meisten Zuspruch, und es hat sich unlängst (1828) der Fall ereignet, dass ein ehemals bedeutender Staatsmann in einem hohen Alter sein 50jähriges Jubiläum zu Gastein (er hatte dieses Bad nämlich 50 Jahre nach einander regelmässig besucht) feiern konnte. Ich selbst kenne mehrere betagte und ausgezeichnete Männer, die dieses Bad seit ihrem 50. Jahre schon 10 - 20 Jahre nach einander besuchen, und den wohlthätigen Wirkungen desselben ihre fortdauernde Tauglichkeit zu den Dienstesgeschäften verdanken. - Oft aber beruht die Schwäche mehr auf einer Disharmonie, auf dem aufgehobenen oder gestörten harmonischen Wechselverhältniss einzelner Functionen, oder mit andern Worten auf regelwidriger Vertheilung der Kräfte. Auch hier äussert unser Bad ein wunderbares Vermögen, die verlorne oder gestörte Harmonie wieder herzustellen, die regelwidrige Vertheilung der Kräfte wieder auszugleichen. - Unter den Arten der indirecten Schwäche ist unser Bad besonders in jener wirksam, welche nach dem Missbrauch geistiger Getränke, oder stark reizender Arzneimittel zurückbleibt; es gehören hieher mancherlei Verdauungsbeschwerden: Indigestion, Blähungen, Säure- und Schleimerzeugung des Magens, habitueller Durchfall, Wurmkrankheit; ferner die Anlage zu frühzeitigen Geburten, passive Blutflüsse: zu starke und zu schwache Menstruation, Gebärmutter-Blutflüsse (wenn sie nicht von Polypen, Scirrhen und andern Desorganisationen der Gebärmutter herrühren); passiver Bluthusten, besonders wenn er mit Hämorrhoidalleiden in antagonistischem Verhältniss steht; endlich Vorfälle der Mutterscheide, Bleichsucht, veralteter Tripper, sogenannter Nachtripper, weisser Fluss.

2. In Lähmungen aller Art, sobald sie fieberlos, nicht durch Erschütterung, Extravasate von Blut, Eiter, Lymphe im Gehirn, oder gar durch unheilbare Zerstörungen, Verwachsungen und Degenerationen der Organe bedingt, und nicht mit Congestionen nach dem Kopfe verbunden sind. Insbesondere werden die traumatischen, gichtischen und rheumatischen, noch nicht veralteten Lähmungen unter der angegebenen Bedingung im Gasteinerbad am gewissesten und besten, ja oft auf eine wahrhaft wunderbare Art geheilt. Doch darf in allen diesen Fällen die Nervenempfindung noch nicht gänzlich erloschen, der gelähmte Theil nicht zu sehr abgemagert, oder gar schon gleichsam abgestorben seyn, wenn das Bad die gewünschte Wirkung haben soll. - Lähmungen in Folge eines vorausgegangenen Blutschlages erfordern einige Behutsamkeit in der Anwendung des Bades, weil gerade bei diesen die oben als gegenanzeigende Momente angeführten begleitenden Symptome: Congestionen nach dem Kopfe, Extravasate im Gehirn u. d. gl. gerne Statt finden. - Auch wird in solchen und ähnlichen Fällen eine ableitende, zumTheil schwächende Kur theils zweckmässig vorausgeschickt, theils selbst während des Badgebrauchs fortgesetzt. - Metastatische Lähmungen werden ceteris paribus am seltensten hier geheilt.

3. Bei Nervenschwäche der höhern Sinnesorgane, Schwäche und Blödigkeit des Gesichtes, Schwerhörigkeit u. d. gl. Selbst einige psychische Krankheiten mögen hier unter den geeigneten Umständen Heilung finden.

4. Grossen Ruf hat sich unser Bad schon seit Jahrhunderten bei Unfruchtbarkeit und männlicher Impotenz erworben. Von Thurneisser wurde schon angeführt, dass das Bad unkeusch mache, und viel Sperma gebe. Pictorius rühmt von ihm, dass es die Frauen schwanger mache. Fuxius sagt in dieser Beziehung: uterum humidum plurimum juvat, ideoque mulieribus impraegnandi facultatem conciliat, atque ne gravidae abortiantur, efficit. Auch Ruland empfiehlt es gegen Spermatis defectum et impotentiam; Niederhuber gegen männliches Unvermögen, aus einer natürlichen, oder aus einer durch überspannten Genuss zugezogenen, oder von nach einer vorhergegangenen Krankheit erfolgter Schwäche der Zeugungstheile, dann gegen Unfruchtbarkeit der Weiber aus Ursache einer gleichfalls geschwächten Organisation, Verschleimung der Gebärmutter, Mangel der innern Reizbarkeit u. d. gl. - Wer die früher angeführten pbarmacodynamischen Eigenschaften dieses Bades mit Aufmerksamkeit erwägt, den kann es nicht wundern, wenn die hier Badenden fast allgemein über eine ungewöhnliche Aufregung des Geschlechtstriebes sich theils beklagen, theils freuen; aber merkwürdig ist es gewiss, dass bei Männern, welche bereits an der Gränze jenes Alters sind, wo die Sexualfunction gewöhnlich zu erlöschen beginnt, der durch das Bad wieder angefachte Geschlechtstrieb in gleicher Stärke durch das ganze Jahr fortdauert, beim Wiedergebrauch des Bades plötzlich verschwindet, und erst mit dem 16. - 20ten Bade neuerdings erscheint, um nun mit der frühern Stärke anzuhalten. - Ich zweifle, ob Pfäfer's, und noch mehr ob das Wildbad denselben grossen Ruf gegen Unfruchtbarkeit und Impotenz haben, wie Gastein, und es ist jedenfalls eine auffallende Eigenheit, dass die belebende Kraft dieses Wassers so schnell und so ausgezeichnet auf die Geschlechtssphäre wirke, da man diess doch sonst nur von der Kohlensäure, und namentlich vom kohlensauren Gas bisher erfahren hat, von dem aber in unsrem Wasser gerade ausserordentlich wenig vorhanden ist. - - Die besänftigende, beruhigende Wirkung unserer Heilquellen spricht sich besonders in folgenden Fällen aus:

5. Bei grosser, krankhafter Reizempfänglichkeit des Nervensystems, daher in der Hypochondrie und Hysterie sine materia; bei verschiedenen Arten von Krämpfen, dem Zittern nach dem Missbrauch geistiger Getränke, dem Zittern als Vorbote des Nervenschlages, im Veitstanz, wenn ihm keine organischen Fehler, sondern vorangegangene, das Nervensystem schwächende Schädlichkeiten z. B. niederschlagende Gemüthsaffecte und Leidenschaften, unmässige Ausleerungen, oder wenn ihm eine unregelmässige Entwicklung der Geschlechtsthätigkeit zu Grunde liegen, ferner bei Magenkrampf (wenn er bloss auf erhöhte Reizbarkeit beruht), in der krampfhaften Gelbsucht, ja sogar in der Epilepsie (wenn sie nicht angeboren, und nicht durch organische Fehler bedingt ist) u. d. gl. Auch in mancherlei schmerzhaften Affectionen, so namentlich im partiellen Kopfweh, in der Cardialgie, gichtischen und rheumatischen Gliederschmerzen, dem Hüft-, Kreuz- und Lendenweh aus derselben Ursache; dann bei Gliederschmerzen nach überstandenen wichtigen Krankheiten, nach geheilten veralteten Geschwüren und Ausschlägen, nach unterdrückten Fussschweissen, zurückgetriebener Krätze, bei der Mercurialgicht, und endlich bei sehr schmerzhafter monatlicher Reinigung. Bei der krampfhaften Kolik, beim Krampf der Harnblase und der Harnröhre, so wie bei der davon bedingten Harnverhaltung oder Harnstrenge gibt es wohl kein besseres und angenehmeres Mittel, als das Gasteinerbad, welches fast augenblicklich den Krampf zu heben, die Schmerzen zu lindern, und den Urin fliessend zu machen vermag. Als auflösendes Mittel bewahrt sich unser Bad:

6. In den leichten Graden von Anschoppungen der Eingeweide und Drüsen bei Verschleimung des Magens und namentlich in der Wurmkrankheit; bei blinden Hämorrhoiden (die es gerne sehend macht); ferner bei Congestionen im Unterleib, die zuweilen mit Lähmungen der untern Extremitäten u. d.gl. vergesellschaftet sind; in chronischen Catarrhen, metastatischen Lungenleiden, Schleimschwindsucht, und daher rührender krampfhafter Engbrüstigkeit; sodann in der Skrophelsucht cum torpore; in den secundären oder Folgeübeln der ausgebildeten Gicht, wo es nicht allein die nach den Anfällen in den Gelenken zurückbleibende Schwäche, sondern auch die Ansammlung ausgeschwitzter flüssiger und zäher, ja selbst fester und erdiger Theile, und somit die eingetretene Steifigkeit der Gelenke, Contractur oder falsche Lähmung beseitigt; endlich bei Sand und Steinbeschwerden, so wie auch bei Gallensteinen. (Erst im vorigen Jahre ging zu Hofgastein bei einer alten Frau ein ziemlich grosser Nierenstein im Bade ab, und ein Bekannter von mir setzte ebendaselbst binnen 3 Wochen eine grosse Menge kleiner Sandkörner durch den Urin ab.) Mit Recht wundert man sich, von unserm rücksichtlich seiner Bestandtheile beinahe indifferenten Wasser dieselben Wirkungen erfolgen zu sehen, welche Carlsbad, Marienbad, Wisbaden u. a. so viel Ruf verschafft haben. Der Schlüssel zu diesem Problem liegt in dem früher Gesagten, und ich habe hier noch zu bemerken, dass bei gleichen Krankheitsverhältnissen dennoch die auflösende Wirkung dieser Bäder sehr verschieden sey, und dass in Gastein viele Kranken mit Abdominalplethora, Anschoppungen, Verhärtungen der Eingeweide u. d. gl. vergebens jene Hilfe suchen würden, die ihnen Garlsbad und Marienbad sicher gewährt. Solche Fälle kann nur ein wissenschaftlich gebildeter und gewissenhafter Arzt dann entscheiden, wenn er das gehörig beherzigt, was ich früher ausführlich erörtert habe. Auf keinen Fall ist aber das Gasteinerbad da anzurathen, wo die Verstopfung der Gefässe, die Anschoppung und Erhärtung der Eingeweide schon einen höhern Grad erreicht haben. Wohl aber werden solche Kranke, nachdem durch Garlsbad oder Marienbad die Stockungen gelöst sind, auch in unserm Bad eine vortreffliche Nachkur durchführen können. -
Einer besondern Erwähnung verdient noch die Gicht, dieser nosologische Proteus, den man beinahe in allen warmen Bädern begegnet. Man muss hier vorerst zwischen der wahren, sogenannten Gelenkgicht, und den verschiedenen Anomalien derselben, dann zwischen der Gicht in paroxysmo, und zwischen der, gleichsam nur schlummernden, oder in den Nachwehen begriffenen Gelenkgicht unterscheiden. Mit acuter Gicht Behaftete während des Anfalls ins Gasteinerbad schicken, finde ich jedenfalls gewagt, obgleich uns Niederhuber und selbst Storch versichern, dass kein Beispiel vorhanden sey, wo das Baden in solchen Umständen geschadet habe. Ich glaube gerne, dass man einen fieberlosen Podagristen während seines Anfalles baden lassen könne, und dass die Schmerzen im Bade oft verschwinden , oft aber auch durch das Bad neue und verstärkte Anfalle erregt werden; aber ich zweifle sehr, dass Gastein im Stande ist, die wahre Gicht für sich allein radical zu heilen; und ich setze die erste und vortrefflichste Wirkung dieses Bades in Bezug auf diese Gicht vorzüglich darin, dass es den durch wiederholte Anfälle geschwächten Gliedern wieder neue Lebenskräfte verleiht, und sie wahrhaft stärkt, oder, wenn Exsudationen Statt fanden, selbe, wie schon gesagt, aufzulösen vermag. Der Medicinalrath Storch hat dieses Verhältniss in folgenden Worten trefflich geschildert: "Das Baden bringt in die schlaffen, abgewelkten, entkräfteten Theile wieder Leben, Wärme, Ernährung und Kraft. Da endlich selbst die oft wiederkehrende regelmässige Gicht mit der Zeit unregelmässig, anomal und ihre Anfalle sehr schleppend und langwierig werden, wobei sich die Schmerzen immer mehr und mehr verlieren, so bewirkt das Bad durch Mittheilung des Lebenshauches die Verzögerung dieser Übel, hält sie noch immer in den äussern Theilen, verhütet dadurch die Ablagerung auf innere, edlere Gebilde, und verlängert auf solche Art das Leben." Wer aber in dieser Beziehung mehr von Gastein fordert, wird sich meist betrogen finden.- Dagegen leistet es oft mehr bei der atonischen und unregelmassigen Gicht, und Herr Medicinalrath Storch sagt hierüber: "Das Gasteinerbad erhebt die Kräfte der Organismen, macht die Gicht regelmässig, oder schafft die schadhafte Materie auf andern Wegen, meistens durch Ansammlung verdorbener Lymphe in der Form von Abszessen an den Armen und Beinen aus dem Körper. Man sah solche Ablagerungen bei 24, auch binnen 6 Stunden an den Armen und Füssen entstehen, welche mehrere Pfunde verdorbener Lymphe ausleerten, worauf wieder Jahrelanges Wohlseyn ohne die mindeste Störung der Gesundheit folgte, obwohl solche Kranke bereits über 70 Jahre alt waren; oder es leert sich Blut und Schleim, oder eine zähe, pechartige oder dunkelgrüne Materie in grösserer oder kleinerer Menge durch den After aus, oder die Gichtschmerzen vagiren im Leibe, in den Gliedern an verschiedenen Stellen herum, sind nicht lebhaft, verhindern aber doch den Kranken, seine Glieder zu gebrauchen. Sobald die Gicht von diesen Theilen auf die Eingeweide zurücktritt, kann man freilich nicht baden, sondern muss andere Mittel anwenden; aber bei der sogenannten flüchtigen Gicht, wobei es gewöhnlich an Kräften fehlt, ist das Baden immer von dem besten Erfolge." In Bezug auf die sogenannten äussern Krankheiten hat sich unser Bad bisher wirksam gezeigt:

7. In chronischen Hautausschlägen aller Art, besonders, wenn selben eine äussere Ursache zu Grunde liegt. Hieher gehören vorzüglich die Krätze und Flechte, dann auch die periodisch wiederkehrenden Ausschläge, z. B. Rothlauf, Gürtel, Pemphigus u. d. gl. In den letztern Fällen erfordert aber die Vorsicht, dass man nicht während des Ausbruches oder der Blüthe, sondern nur in den Zwischenzeiten baden lasse. Auch der chronische, durch übermässiges Schwitzen in dem Wochenbett erzeugte Friesel soll in Gastein geheilt werden. Wo jedoch solchen Ausschlägen eine Dyscrasie zu Grunde liegt, würde ich jedenfalls den Gebrauch warmer, schwefelhaltiger Quellen, und in manchen Fällen Solenbäder Vorziehen.

8. Bei gequetschten Wunden, deren Eiterung fortwährend durch eingedrungene fremde Körper unterhalten wird, oder die selbst nach der bereits und vielleicht schon lange geschehenen Vernarbung mancherlei schmerzhafte Zufälle erregen, hat sich unser Bad insofern als ausgezeichnetes Heilmittel erwiesen, als es in dem betreffenden Theile entweder die noch bestehende Eiterung gutartig macht und verstärkt, oder die geheilten Wunden durch eine neue Entzündung abermals in Eiterung versetzt, so endlich den fremden Körper auf die gelindeste Art entfernt, und dauerhafte Heilung bewirkt.

9. In veralteten, atonischen, fressenden Geschwüren, namentlich der untern Gliedmassen, bei Callositäten, steifen, gelähmten und aufgedunsenen Gliedern, wo schon sehr, vieles vergebens angewendet wurde. Insbesondere soll sich in solchen Fällen das Auflegen des grünen Badeschlamms (der übrigens heut zu Tag selten gebraucht wird) durch seine gelind reizende, austrocknende und zusammenziehende Kraft gegen das wilde (wuchernde) Fleisch wirksam gezeigt haben. Dr. Niederhuber sagt in dieser Hinsicht, dass er grosse Geschwüre, welche schon mehrere Jahre aller Hilfe trotzten, und sich immer vergrösserten, durch das Bad schon nach einigen Tagen in der beginnenden Heilung, die callosen Ränder sich erweichen, und die Jauche sich in Eiter verwandeln sah. Dass man bei so glücklicher Heilung manchmal vorsichtshalber ein.Fontanell setzen müsse , versteht sich von selbst.

10. Endlich finden auch die nach (schlecht) geheilten Wunden und Beinbrüchen häufig zurückbleibenden Übel: Schwäche, grosse Empfindlichkeit gegen Witterungsveränderungen, (sogenannter Barometer oder Kalender) Schmerzen, zunehmende Steifigkeit, Schwund u. d. gl. im Gasteinerbad fast sichere Heilung. Daher ist dasselbe vorzüglich den verkrüppelten Soldaten in mehrfacher Rücksicht von ausgezeichnetem Nutzen.
Originaltext (S. 130-139), ohne Gewähr!

Die Gegenanzeigen geben jene Krankheiten an, bei denen es keinesfalls ratsam ist, das Gasteinerbad zu gebrauchen.
Am Beispiel des → Bluthustens - aber, wie es Eble selbst erlebt hat,
scheint es doch auch Ausnahmen zu geben.

Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
b. Gegenanzeigende Krankheitsverhältnisse.
Was die allgemeine Gegenanzeige betrifft, so beruht sie auf jenem pathologischen Zustande, welchen man Übermass des Lebensprocesses, krankhafte Erhöhung der Lebensthätigkeit oder erhöhte Vitalität zu nennen pflegt. Niederhuber hat diess in folgenden Worten weitläufiger ausgesprochen: "Krankheiten, bei welchen der Gebrauch des Gasteinerbades schädlich seyn kann, sind überhaupt jene, bei welchen die Reizbarkeit sehr überspannt, oder ein entzündlicher Zustand im Körper zugegen ist, und endlich, bei welchen die ganze körperliche Maschine im Ganzen, oder in gewissen wesentlichen Theilen so sehr verletzt und verdorben ist, dass die Nerven ausser Stand sind, stärkere Eindrücke auszuhalten, ohne in sehr unordentliche Bewegungen zu gerathen, von welchen eine gänzliche Zerstörung besorgt werden muss."
In dieser letzten Beziehung muss man eigentlich jenes krankhafte Verhältniss vor Augen haben, in denen der Organismus im Ganzen, oder wenigstens in lebenswichtigen Theilen so zerrüttet ist, dass von der Naturheilkraft nichts mehr erwartet werden kann. In solchen Fällen hilft denn auch weder dieses, noch ein anderes Bad, und sie werden daher in der Regel zu den unheilbaren gewählt. Das Gasteinerbad ist daher speciell gegenangezeigt

1. bei gesteigertem Gefässleben, bei allen activen Entzündungen, bei wahrer Vollblütigkeit, starken Congestionen nach Kopf und Brust, daher auch bei Neigung zum Blut- oder Schleimschlag; bei allen Fiebern. (Bloss allenfalls Wechselfieber und febrilische, obengenannte Cachexien hie und da zeitweise begleitende Zustände ausgenommen.)

2. Bei allzu sehr aufgeregtem Nervensystem, eingewurzelten, heftigen, oft wiederkehrenden Convulsionen und Krämpfen überhaupt bei einem hochgradigen Nerven-Erethismus, wie er sich oft bei sehr sensiblen Hypochondristen und Geisteskranken, namentlich aber beim weiblichen Geschlechte als Hysterie in summo gradu zeigt.

3. Bei allen activen Blutflüssen; besonders beim Bluthusten. Dass aber letzterer, wenn er passiv und auf Anschoppungen der Unterleibseingeweide, oder auf Hämorrhoidal-Leiden beruht, den vorsichtigen, ich wiederhole noch einmal den vorsichtigen Gebrauch unseres Bades nicht untersage, davon bin ich selbst ein sprechendes Beispiel.
Mit diesem Zustande, und zugleich mit einer zum Theile davon abhängenden unvollkommenen Lähmung der untern Extremitäten behaftet, fasste ich im Jahre 1830 zum erstenmal den Entschluss, das Wildbad Gastein zu besuchen. Aber die bald eintretende ungünstige Witterung, verbunden mit dem herannahenden Herbstäquinoctium (zu welcher Zeit ich schon 2mal den Bluthusten regelmässig durch 7 Tage bekam) riefen ihn auch diessmal wieder, und zwar sehr stark hervor, so dass ich das Betthüten, mit dem Baden aussetzen, und zuletzt höchstens Fussbäder gebrauchen konnte. Alles wiederrieth mir, im folgenden Jahre wieder nach Gastein zu fahren, ich liess mich jedoch, durch die genaue Periodicität meines Bluthustens und seine ästhenische Form geleitet, nicht davon abhalten, sondern begab mich schon im Monat Juni 1831 nach Salzburg, wo ich einen ganzen Monat zubrachte. Auch hier stellte sich der Bluthusten, welcher mich dieses Frühjahr verschont hatte, aber in etwas milderem Grade ein, und dauerte wieder 7 Tage. Es wurde dagegen gar nichts als 2 kleine Aderlässe von 5 Unzen gebraucht. Anfangs Juli kam ich nach Gastein, und fing sogleich zu baden an, konnte auch mit ganz kleinen Unterbrechungen die ganze Badezeit von 4 Wochen fortsetzen, und erfuhr eine namhafte Besserung. Vom Blutspeien zeigte, ungeachtet mein Gefässsytem immer sehr aufgeregt war, sich keine weitere Spur. In dem Herbste desselben Jahres dagegen erschien es zur bestimmten Zeit wieder, und hielt auch so lange wie sonst an. Im Frühjahre 1832 suchte ich ihm durch einen Aderlass von 8 Unzen im März vorzubeugen, und es gelang, bis auf einen unbedeutenden Anfall im Monat April. Ich fuhr darauf wieder nach Gastein, liess mir aber Vorsichtshalber in Salzburg 5 Unzen Blut ab. Diessmal vollendete ich eine doppelte Badezeit, und erzwang zwei Krisen, eine nach dem 18. Bade, wie gewöhnlich, und die andere, unvollkommene, nach dem 30. Bade. Auch diessmal zeigte sich in Gastein kein Blutspeien; allein es kam im folgenden Herbst noch einmal, ganz wie früher; doch ging der Winter besser vorüber. Im Frühjahr 1833 blieb ich zum erstenmale ganz frei, ohne mir zur Ader zu lassen. Ich besuchte nun zuerst Marienbad, wo ich nebst dem Kreuzbrunnen auch Moorbäder, und zuletzt sogar die Stahlquellen gebrauchte. Die Kur gelang, und ungeachtet zeitweise mein Gefässsystem stark aufgeregt wurde, und die Witterung besonders auf der Rückreise sehr ungünstig war, blieb ich doch zu meiner grossen Freude vom Bluthusten befreit, bis ich von Marienbad nach Gastein fuhr, und am 4. August die Klamm betrat. In dem Augenblick, als sich mir das Gasteinerthal wieder aufschloss, gewahrte ich zu meinem grossen Erstaunen, dass mein Auswurf anfangs einem dicken Fleischwasser ähnelte, sodann stärker mit Blut gefärbt war. Diess dauerte bis zur Ankunft zu Hofgastein, ohne dass es auf dem Wege dahin zu einem formlichen Anfall gekommen wäre. Um kein Aufsehen zu machen, hielt ich die Sache geheim, und begab mich nach kurzen Begrüssungen meiner Bekannten in mein Quartier. Schon denselben Nachmittag wurde der Auswurf wieder ganz rein. Ich überlegte nun, ob ich denn doch 1. das Bad ernsthaft und sogleich gebrauchen, und 2. ob ich das mitgenommene Franzensbaderstahlwasser trinken sollte. Ich entschied für ein vorsichtiges Baden und für das Aussetzen des Mineralwassers wenigstens durch einige Tage. So geschah es auch und das Bad hatte nicht allein keine ungünstige, sondern eine heilsame Wirkung, und alle 20 Krüge des Stahlwassers, verbunden mit einem täglich durch 3/4 - l Stunde fortgesetzten allgemeinen, und zuletzt noch mit dem Douchebade, waren nicht im Stande, den Bluthusten zu erregen; sondern schienen nebst den herrlichen Wirkungen des Marienbades selben für immer und allezeit gehoben zu haben; wenigstens ist dieser gefürchtete November jetzt zum erstenmal seit 5 Jahren unblutig bei mir vorüber gegangen, und alle meine Umstände haben sich namhaft gebessert. - Ich frage nun alle denkenden und aufrichtigen Ärzte, ob diess nicht ein schlagender Beweis dafür ist, dass bei solchen Blutflüssen unter der gehörigen Vorsicht auch solche heroische Mittel, wie die Moorbäder zu Marienbad und das Bad zu Gastein sind, mit Nutzen angewendet werden können? Selbst der Medicinalrath und Badearzt Dr. Storch, welcher im Jahre 1830 die Güte hatte, mich auf meinem Krankenlager im Wildbad zu besuchen, sprach mir, wie ich nachher hörte, alle Hilfe ab, und nannte es Verwegenheit, dass ich je wieder nach Gastein zu kommen dachte, weil dieses Bad mich sicher um so früher dem Tode entgegenführen müsse; und dennoch stehe ich heute viel fester und gesünder als im Jahre 1830 da! -

4. Bei erschöpfenden Eiterungsprocessen edler Organe und der Knochen, daher auch bei allen hectischen, oder Zehrfiebern. Wenn demungeachtet Dr. Mistruzzi bei Nieren- und Lungeneiterungen die Trinkkur nützlich befunden und sogar dadurch eine Lungensucht geheilt haben will, so sey es erlaubt, hieran zu zweifeln; da aller Erfahrung zufolge solche Zustände durch das Bad nur verschlimmert, und die Herannahung des Todes nur beschleunigt werden kann. -
5. In Cachexien und Suchten aller Art, sobald ihnen beträchtliche Verletzungen, Verhärtungen oder Zerstörungen wichtiger Organe, vorzüglich der Leber zu Grunde liegen, wie diess z. B. bei den meisten Wassersuchten der Fall ist. Hieher gehört auch der Scorbut; und die ausgebildete venerische Seuche.
6. Bei Puls- und Blutadergeschwülsten
Originaltext (S. 140-144), ohne Gewähr!

Zweckmässigste Anwendungsweise dieses Wassers nach
Beschaffenheit der individuellen Krankheitsfälle

Was die Anwendungsweise des Heilwassers betrifft so meint Eble:
Man bedient sich des Gasteiner-Heilwassers in den genannten Krankheiten auf eine dreifache Art: und zwar
1. als → allgemeines und örtliches Bad - wobei die Dauer der Kur und die jeweilige Badezeit von einem Arzt festgelegt werden muss.
Neben dem Vollbad bieten sich neben Hand- und Armbäder auch → Fußbäder - an.

Weiter gelten als Anwendungsweisen:
2. das → Dunstbad -
3. die unvollkommene Douche - und
4. die innerlich Anwendung, also die → Trinkkur -

Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
Gebrauch des allgemeinen und örtlichen Bades.
Dieser ist der vorzüglichste und gewöhnlichste, und wenn man von Gastein überhaupt spricht, so versteht man darunter immer das Bad. Alle oben angegebenen Wirkungen beziehen sich ebenfalls auf das Baden, und wir haben jetzt nur näher zu untersuchen, welche Eigenthümlichkeiten hier Statt finden. Demgemäss handeln wir zuerst von der Dauer der ganzen und der einzelnen Badezeit.
Was nun die erstere betrifft, so ist hier schon seit langer Zeit die Sitte angenommen, 21 Bäder als das Maximum zu betrachten; im 15. - 16. Jahrhundert badete man aber, wie wir oben gesehen haben, auch 6 - 7 Wochen lang. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Kuren in 20, 23 und 27 Tage eingetheilt, bis man später bei 21 Tagen als Norm stehen blieb, gegen welches übrigens schon Barisani und Niederhuber, als gegen ärgerliche Vorurtheile, wiewohl vergebens kämpften. - Es fragt sich nun, ob dieser Sitte ein wissenschaftlicher, aus der Erfahrung gezogener Grund unterliege, oder ob sie wirklich blosses Vorurtheil sey. Meine Meinung hierüber ist folgende:
1. Man kann wirklich, sichern Erfahrungen zufolge annehmen, dass (vorausgesetzt, dass man täglich wenigstens 1/2 Stunde lang badet,) wenn nach 18 - 20 Bädern noch gar keine merkbare Wirkung, und nach 30 Bädern weder ein Anzeichen einer Krise, noch eine wirkliche Besserung eintritt, das weitere Baden, wo nicht geradezu schädlich, doch auch nicht nützlich und daher vergebens sey.
2. Wenn ich aber 30 Bäder als die höchste Anzahl einer vollkommenen Badekur für Gastein betrachte, so soll damit durchaus nicht gesagt seyn, dass man nun wieder ein ganzes Jahr warten müsse, im Falle man die Kur noch einmal wiederholen wollte. Vielmehr habe ich die gegründetste Überzeugung, dass man solcher Kuren wohl zwei in einem Jahre, nämlich die eine im Frühjahr und die andere zu Anfang Septembers unternehmen könne. Zwei Monate Zwischenzeit reichen hin, den Organismus wieder so empfänglich für das Bad zu machen, als er ungefähr früher war. Diess ist eine wohl zu beherzigende Sache für solche, denen sehr darin liegt, so schnell als möglich gesund zu werden, und denen es ihre Berufsgeschäfte erlauben, einen 2maligen Urlaub zu erhalten. Von diesem meinem Rathe hat im vorigen Jahre der Herr Banquier Höslin aus Augsburg mit dem besten Erfolge Gebrauch gemacht.
3. Aus meiner obigen Schilderung der primären und secundären Wirkungen unseres Bades geht hervor, dass in der Regel die Hauptkrise auf das 15. - 20. Bad erfolge. Nach dieser noch fortzubaden, ist durchaus nicht anzurathen; ja es ist, wie ich an mir selbst erfahren, sogar gewagt, nachdem man jetzt etwa 6 - 8 Tage ganz ausgesetzt hat, die Kur von Neuem zu beginnen, und gleichsam noch eine zweite Krise erzwingen zu wollen. Diese Zwischenzeit ist viel zu klein, und ich warne daher jeden vor einem solchen Versuch, der mir selbst beinahe gefährlich geworden wäre. In so fern also 18 - 20 Bäder jene Krise in der Regel hervorrufen, liegt der obigen Sitte, nur 21 Bäder zu nehmen, immerhin etwas Wahres zu Grunde. Allein es wäre gefehlt, sie für ganz untrüglich, und für alle Fälle ohne Ausnahme gültig halten zu wollen, Niederhuber sagt daher ganz richtig: Wer eine besondere, hartnäckige Krankheit am Leibe trägt, die er im Bade loszuwerden sucht, dem kann weder die Vernunft, noch die Natur eine Zeit bestimmen, in welcher er ganz wird hergestellt seyn. Sehr oft fängt nach den 21 Tagen sich erst eine gute Wirkung zu äussern an und geht man dann fort, so ist die schöne Folge gemeiniglich, dass man zu Hause nach kurzer Zeit wieder in die alten Umstände verfällt, ja oft übler wird, als zuvor. - Uberdiess muss man bedenken, dass sehr viele Kurgäste das Bad bloss zu ihrer Erholung, Erkräftigung und Stärkung, nicht aber gegen eine besondere Krankheit brauchen; bei diesen kann es auch keine Krise bewirken, und sie mögen demnach immerhin bei ihren 21 Bädern stehen bleiben. Bei wahrhaft Kranken kann die angemessene Dauer der ganzen Badezeit nur ein verständiger Arzt bestimmen. Endlich liegt der ganzen Sache nach meiner Einsicht noch ein Verhältniss zu Grunde, auf das man seither zu wenig geachtet hat. Diess ist die Schwierigkeit mit den Wohnungen der Badegäste im Wildbad Gastein. Um der Wohnung sicher zu seyn, muss man selbe schon 1/2, ja sogar l Jahr vorher bestellen, und sind die 3 Wochen vorüber, so ist schon wieder ein neuer Gast zur Ablösung eingeschrieben. Dieser Übelstand wird nun freilich nach und nach beseitiget werden, besonders wenn die Vorurtheile gegen die Hofer-Badeanstalt verschwinden. So viel in Bezug auf die Dauer der ganzen Badekur. Rücksichtlich der Zeit, wie lange man jedesmal im Bade verweilen soll, lässt sich im Allgemeinen noch weniger etwas Genaues bestimmen. Dass man mit einer kürzern Zeit beginne, von Tag zu Tage allmälig steige, und dann wieder m demselben Masse zurückgehe, ist und bleibt im Allgemeinen eine gute Gewohnheit, welche eben so sehr mit der Natur der Heilquelle, als mit der Sicherheit ihrer Wirkung übereinstimmt; doch lässt sie ebenfalls ihre Ausnahmen zu, und ist daher nicht immer so sclavisch festzuhalten. Die Natur der Krankheit, und unter den Individualitätsverhältnissen vorzüglich die Constitution des Kranken, geben für den einzelnen Fall gewissermassen einen richtigen Fingerzeig. Wer also an einer veralteten oder chronischen Krankheit leidet, oder eine starke, derbe Constitution hat, so wie derjenige, dessen Gefäss- und Nervensystem überhaupt nicht so leicht erregbar, und wer insbesondere seit langer Zeit an den täglichen Genuss geistiger Getränke (wenn auch nur in mässigem Grade) gewohnt ist, kann immerhin (vorausgesetzt, das Bad sey für ihn angezeigt) sogleich die Kur mit 1/4 Stunde beginnen, bis zum 4. Bade jedesmal um 1/4 Stunde steigen, und sodann mit einer ganzen Stunde so lange fortsetzen, bis sich entweder die schon mehrmal erwähnte Hauptkrise einstellt, oder überhaupt Symptomen erscheinen, die den Fortgebrauch des Bades ohnehin untersagen; oder endlich, bis er, ohne irgend eine bedeutende Wirkung in seinem Körper wahrgenommen zu haben, zum 27. - 30. Bade gekommen ist. In allen diesen Fällen geht man die letzten 4 Tage jedesmal um 1/4 Stunde zurück, indem man auf diese Art die Kur beschliesst. - Es können jedoch Fälle eintreten, wo bei sehr reizbarem Nerven- und Gefässsystem nur 8 - 10 Minuten lang zu baden, und dann nur allmälig und vorsichtig bis 1/2 Stunde zu steigen erlaubt ist. Umgekehrt sah ich Säufer, Schlemmer und starke, abgehärtete Menschen gleich mit 1 Stunde beginnen, und alsbald täglich 2 - 3 Stunden lang baden, ohne dass sie davon einen Nachtheil erfahren hätten. Auch erinnere ich mich eines lustigen Mannes aus Salzburg, welcher mit Gichtschmerzen behaftet, täglich Vor- und Nachmittag 2 Stunden lang badete, den ganzen Tag dem Bacchus fröhnte, und sich nie ohne einen Rausch Abends zu Bette legte. Dennoch gestand er mir, als ich ihn über die Wirkungen des Bades fragte: "Dass es ihm sehr wohl bekomme." Hat ein mit einem innerlichen Gebrechen Behafteter nach dem 30. Bade noch keine auffallenden Erscheinungen an seinem Körper wahrgenommen, so ist höchst wahrscheinlich das weitere Baden, wenn nicht schädlich, doch unnütz.
Unter den Erscheinungen, welche theils eine Verkürzung jedes einzelnen Bades, theils gänzliches Aufhören der ganzen Badekur erheischen, dienen vorzüglich folgende zur Richtschnur: starke und anhaltende Eingenommenheit des Kopfes, ein der beginnenden Berauschung ähnlicher Zustand, auffallend vermehrte und mitunter nur flüchtige Hitze ohne vermehrte Röthe der Haut, bedeutend vermehrte Schmerzen innerer kranker Theile, und sehr unruhiger Schlaf.
Sehr oft ist es zweckdienlicher, statt die Badezeit abzukürzen, sich der kühlen Bäder zu bedienen. Diess gilt besonders da, wo das Bad als eine nur gelind reizende, beschwichtigende und auflösende Potenz heilsam wirken soll, und wo durch zu hohe Temperatur der Badeausschlag hervorgebracht wurde. Hier geht man dann anfangs in die Separatbäder, und sind auch diese noch zu warm, oder wegen des Dunstes zu stark, so gebraucht man Wannenbäder. Wer das Gasteinerbad bloss gegen äussere Gebrechen (worunter ich in diesem Falle auch veraltete, fieberlose Lähmungen einzelner Theile, Impotenz u. dgl. rechne) gebraucht, und übrigens von guter starker Constitution, oder abgehärtet, oder im Alter schon bedeutend vorgerückt ist, der kann nicht allein auch des Nachmittags 1/2 - 1 Stunde lang baden, sondern überhaupt in der einzelnen Badezeit je nach Verhältniss selbst bis auf l - 2 Stunden steigen. Bei innerlichen Krankheiten wird diess jedoch schon bedenklich, und bei krankhaft gereiztem Gefäss- und Nervensystem geradezu schädlich.
Aus diesem Wenigen ist nun hinreichend begreiflich, dass es keine allgemeine Regel für die Dauer der Badezeit gebe, und dass das richtige Anpassen der einzelnen und ganzen Badezeit in Bezug auf die Individualität nur von einem Arzte, der mit den specifiken Wirkungen dieses Bades wohl vertraut ist, ausgehen könne. Wagt es der Kranke auf eigene Rechnung, so kann er sich um so grösseren Schaden zuziehen, je weniger er die Wirkung des Bades auf seinen eigenen Körper schon erprobt hat.
In manchen Fällen sind - örtliche, Fuss-, Hand- und Armbäder, und zwar von viel höherer (+30 - 32° R.) Temperatur entweder ausschliesslich, oder nebst dem allgemeinen Baden Nachmittags anzurathen, In dieser Beziehung habe ich an mir selbst die interessante Erfahrung gemacht, dass ein 1 1/2 stündiges Fussbad (welches Nachmittags wiederholt wird, und bis an das Knie reicht) auf den ganzen Körper ungefähr dieselbe Wirkung mache, welche nach einem 1/4 stündigem Vollbade erfolgt. - Solche, 4 Tage hindurch gebrauchte Fussbäder brachten in mir eine so starke Aufregung hervor, dass Herzklopfen, aussetzender Puls, grosse Hitze und Bangigkeit, und zuletzt häufiger Stuhlgang mit blutigem Hämorrhoidalflusse eintraten. Doch geschah diess erst, nachdem ich bereits meine allgemeine Badekur von 27 Bädern vollendet, und einige Tage ausgesetzt hatte. Daher glaube ich die Anwendung solcher Fussbäder (für welche übrigens Herr Moser in Hofgastein die passende Vorrichtung hat) besonders bei Leiden der untern Gliedmassen in allen jenen Fällen anrathen zu können, wo entweder der übrige Körper gesund ist, oder wo man die Hitze der Badezimmer, und das Einathmen der vom Bade aufsteigenden Dünste, und somit eine stärkere Wirkung auf die Athmungswerkzeuge vermeiden, oder endlich, wo man noch eine kleine Nachkur gebrauchen will. -

Anmerkung. Ich habe schon angeführt, dass man in ältern Zeiten viel länger zu baden pflegte, als gegenwärtig. So lese ich in Ekhl's Salus rediviva a fonte. S, 31. Folgendes : Der Anfang wird mit einer halben Stande gemacht, jedoch anch weniger nach eigener Beschaffenheit, von welcher man täglich in der Früh um eine halbe Stande aufzusteigen, bis man in der Früh auf 3 - 4 Stunden höchstens, des Nachmittags aber 1 1/2 - 2 Stunden höchstens gekommen ist, in welch höchstem Grade 8, 10, 13 Tage zuzubringen. Der Abbruch der Stunden geschieht alsdann in gleicher Gestalt, bis die Badekur beendet ist. In solcher Ordnung werden zu einer Kur in dem Gasteiner-Wildbade so 23 und 27 Tage; in diesen Tagen, aber 83, 88 und 123 Stunden sehr nützlich verzehrt and angewendet, wie die beigefügte Tabelle zeigt. - Indessen eiferte doch auch schon früher der erwähnte Dr. Mistruzzi in seinem Manuscripte über das zu viele Baden: "Plurimi majus inde detrimentum reportant, totes nempe dies noctesque per integras septimanas, mergarnm instar, aquis insident." Wirklich erzählt man noch heut zu Tag in Gastein von einem solchen Tauchenterich, welcher mehrere Wochen lang gar nicht aus dem Bade ging, bis er, der vorher steif war, geheilt, und ohne andere Unterstützung selbst herausgehen konnte.
Originaltext (S. 145-150), ohne Gewähr!

2. Der Besuch eines Dampfbades und die Anwendung als Douche

Haben sich die Gäste zunächst lediglich in den Stollen der Quellen aufgehalten,
um deren Dampf einzuatmen, so änderte sich dies mit dem Bau des Dunstbades.
Von der Heilwirkung des Dunstes scheint Eble aber nicht viel zu halten
und meint mit Mistruzzi, dass am nach dem Bad auch noch anschließend ins Dampfbad gehen sollte, für sehr gewagt.
Dasselbe gilt für die sog. → Douche - die einem Wasserschlauch entspricht,
wo das warme Wasser, welches mit +30 bis +32° Reamur (= 37,5° bis 40° Celsius) herausfließt und so
über die kranken Körperteile gehalten wird.

Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
Die Anwendungsweise als Dunst oder als Douche
Bis zur Errichtung einer Dampfbadeanstalt im Wildbad haben sich nur gemeine Leute zu demselben Zwecke des Stollens, der Fürstenquelle bedient, indem sie darin, bloss mit einem Bademantel angethan, kürzere oder längere Zeit, in grösserer oder geringerer Hitze verweilten; und so, wie man sich leicht denken kann, oft die hartnäckigsten Rheumatismen, Contracturen, Lähmungen, Geschwülste u. dgl. heilten. Es ist zu erwarten, dass das Dunstbad, welches nunmehr in ordentlichen, brauchbaren Stand gesetzt ist, für die dazu geeigneten Fälle häufigern Zuspruch erhalte, als in den letzten Jahren geschah. Doch glaube ich nicht von der Eigentümlichkeit unserer Quelle in Bezug auf diese besondere Anwendungsart auch eben so besondere Wirkungen erwarten zu dürfen; sie werden sich vielmehr höchst wahrscheinlich ganz denen gleich stellen, welche man bei andern Dunstbädern bisher beobachtet hat. Indess kann hierüber nur die Erfahrung hinlänglich entscheiden. Übrigens erfordert auch ihre Anwendung eine gewisse Vorsicht, und muss daher stets vom Arzte geleitet werden. Dass man sich dabei hauptsächlich vor Verkühlung zu hüten habe, versteht sich von selbst, so wie es überflüssig ist, sich in Bezug auf das, was man desshalb zu beobachten hat, in eine weitere Erörterung einzulassen.

Anmerkung. Nach Mistruzzi bedient man sich des Dunstbades am Besten, wenn man mit den Bädern auf's höchste gekommen ist; dann geht man aus dem Bad sogleich ins Dampfbad, bleibt da 1/2 - 1 Stunde, schwitzt tüchtig, und legt sich endlich zu Bette, bis die natürliche Wärme wieder eingetreten ist. - Dieses Verfahren halte ich aber für gewagt, und höchstens bei verzweifelten, äusserst hartnäckigen, äußerlichen Krankheiten rathsam.

Was die Douche anbelangt, so sind die deshalb in Gastein schon lange getroffenen Vorrichtungen nur höchst unvollkommen, wie aus dem früher Gesagten erhellt. Es können nämlich zu diesem Ende, vorzüglich in den Schlossbädern, lederne Schläuche an die Mündung derjenigen Röhre, durch die das Badewasser einfliesst, befestiget werden. Da sie gewöhnlich etwas enger als diese sind, so wird dadurch der Zufluss des Wassers verstärkt, das Wasser selbst mit etwas grösserer Kraft hervorgetrieben und kann nun an die leidenden Theile nach Belieben hingeleitet werden. - Bei Straubinger ist zwar ein solcher Schlauch 1 1/2 Klafter hoch über dem Wasserspiegel des Bades angebracht; allein diess sind doch nur höchst dürftige Nothbehelfe, und wer die Doucheanstalten zu Baden bei Wien, in Marienbad u. a. O. gesehen hat, der begreift leicht, wie viel hier in Gastein noch zu wünschen übrig bleibt, 1. in Bezug auf die nach Willkühr zu vermehrende und zu vermindernde Kraft, 2. rücksichtlich der Dicke, 3. der Mannigfaltigkeit und 4. der Richtung des Wasserstrahls. Vom Schauer-, Regen-, Spritz-, Tropf-, Trauf- oder Sturzbad ist hier eben so wenig etwas zu sehen, als von einer auf- und absteigenden oder Seiten-Douche. Dagegen ist in der Dampfbadanstalt auf die sogenannte Dampf-Douche nicht vergessen worden. - Bei solchen Umständen darf es uns auch nicht wundern, dass in Gastein nur in so fern von einer Douche gesprochen wird, als sich die Kranken das Badewasser mit der Wärme, wie es einfliesst, und die gewöhnlich einige Grade höher, als die des Bades selbst ist, an ihre leidenden Theile appliciren, während sie im allgemeinen Bade sitzen. Hätte diese unvollkommene Douche keine höhere Temperatur wie das Bad (+28° R.), so würde sie sicher wenig oder gar nichts nützen; da ihre Temperatur aber auf +30 - 32° R. steigt, so muss man mit ihrer Anwendung immerhin vorsichtig seyn. Zum Beweis dessen will ich nur ein Beispiel anführen.
Ein baierischer Officier, den der Schlag getroffen hatte, und der desshalb gelähmt war, liess sich, um recht auf das Rückenmark zu wirken, den Wasserstrahl mit einer Temperatur von +29 ° R. unmittelbar auf das Genick laufen, indem er seinen Kopf unter die Mündung der Einlassröhre brachte. Er hatte diesen Versuch gleich nach dem Eintritt ins Bad durch einige Minuten gemacht, und lobte die Wirkung; als er aber nach einer 1/2 Stunde denselben wiederholte, fiel er zusammen, wurde beinahe leblos aus dem Bade nach Hause getragen, und konnte nur mit Mühe und erst nach wiederholter Aderlass wieder zur Besinnung zurückgerufen werden. Diess ereignete sich zu Hofgastein, wo doch das Wasser um mehrere Grade kühler ankommt, als in den Bädern des Wildbades; um so mehr muss man sich daher hier in Acht nehmen, und den Wasserstrahl ohne besondere Erlaubniss des Arztes nie auf edlere kranke Gebilde, und namentlich nicht in die Nähe des Kopfes, oder gar, wie es manche gegen Kopfschmerzen zu thun pflegen, auf den Kopf fliessen lassen. Zu Hofgastein griff ich übrigens in Ermangelung eines bessern Mittels zur Handfeuerspritze des Herrn Moser, um die Douche auf die Lenden- und Kreuzgegend anzuwenden.
Die günstigste Zeit zum Baden bleibt immer der Morgen. Fleissige und genaue Badegäste verfügen sich daher schon um 5 Uhr früh ins Bad, und geniessen einen doppelten Vortheil, einmal, dass sie ihr Bad ganz rein bekommen, und dann, dass sie die übrige Zeit des Morgens um so fruchtbringender benutzen können. Denn ein solcher Gast ist um 9 Uhr vollkommen bereitet, um auszugehen, und die Annehmlichkeiten eines Spazierganges zu geniessen. In der Regel haben um 10 Uhr Vormittags zu Gastein schon alle Gäste gebadet. Aus dem Gesagten folgt jedoch nicht, dass man nicht auch später noch baden könne, nur trachte man, doch 1 Stunde vor dem Mittagsessen damit fertig zu seyn. Ich werde später bei Bestimmung des → diätetischen Verhaltens - ausführlich die Gründe angeben, warum man sowohl nüchtern, als nach eingenommenem Frühstücke ins Bad steigen könne, und was unter gewissen Umständen dem andern vorzuziehen sey. Wer auch Nachmittags baden darf, der wähle die Zeit von 3 - 5 Uhr, vorausgesetzt, dass er längstens um l Uhr zu Tische geht. Es versteht sich von selbst, dass man zwar so bequem als möglich, aber in keinem Falle zu leicht angekleidet ins Bad gehe. Im Cabinett wechselt man sodann die Kleider mit der Badwäsche, welche entweder in einem einfachen Bademantel, oder aber in Unterhosen und Hemd besteht. Die Sitte, überdiess noch einen 1 1/2 Schuh langen Kragen von Flanell um die Schultern zu legen, hat zwar, besonders wenn damit noch eine weisse Schlafmütze gepaart wird, etwas theatralisch-Komisches an sich, bleibt aber demungeachtet besonders für solche, die leicht der Erkühlung ausgesetzt sind, immerhin ganz angemessen. - Am besten ist jedoch in jedem Falle, das Bad ganz nackt zu nehmen; was übrigens natürlich nur in Deinem Separatbad geschehen kann. Es ist eine lobenswerthe Vorsicht, das Bad, ehe man es betritt, vorher mit dem Thermometer zu untersuchen. Diese Vorsieht wäre freilich in den Communbädern überflüssig, wenn die oben in der Badeordnung diessfalls angeführten Vorschriften gehörig befolgt würden, was aber nicht immer geschieht. Im Bade selbst mache man von Zeit zu Zeit Bewegung, indem man auf- und abgeht. Darin aber immerfort gleich einer Meergans, quasi ex officio hin- und herzuschwimmen, ist eben so lächerlich, als wenn man ohne Noth wie eine Auster an der Bank festsitzt. Auch ist es zweckdienlich, sich die Glieder und kranke, aber nicht sehr empfindliche Theile, z. B. den Unterleib im Bade zu frottiren, oder frottiren zu lassen. Heiterkeit und Frohsinn belebe die ganze Badegesellschaft, und scherzhafte Erzählungen, witzige Einfälle, selbst kleine erlaubte Neckereien erhöhen gar sehr die wohlthätigen Wirkungen des Bades. In dieser Beziehung ist das gemeinschaftliche Baden dem abgesonderten weit vorzuziehen.
Wie tief man im Bade sitzen soll, lässt sich im Allgemeinen nicht bestimmen. Für die Mehrzahl der Fälle passt das Eintauchen bis an den Hals. Wo das Leiden im Kopfe sitzt, geschehe diess anfangs nur bis zur Brust, wo letztere den Herd der Krankheit in sich schliesst, reiche das Wasser nur bis zum Nabel. Diese Regeln sind, so unbedeutend sie auch scheinen mögen, doch in einzelnen Fällen von der höchsten Wichtigkeit. So z. B. kann ich seit meiner Krankheit nicht ohne augenblickliche Congestionen nach Brust und Kopf bis zu den Schultern untertauchen, und badete daher immer nur meinen halben Körper. Nach dem Bade ist es eine Hauptsache, sich am ganzen Körper wohl abzutrocknen, und wo möglich, mit Flanell zu reiben. Ist der Kopf nass geworden, was in der Regel nicht geschehen soll, so setze man sogleich eine Mütze auf. Hierauf zieht man sich wieder an, verlässt das Badgemach, und verweilt einige Augenblicke im gewärmten Vorzimmer (wo solches, wie im Hoferbadhause gegeben ist) um sich hernach unmittelbar in sein Zimmer, und zwar auf 1/2Stunde ins Bett zu begeben. Letzteres geschieht jedoch nicht, um zu schlafen, sondern nur, um einiger Ruhe und der Transpiration zu pflegen, im Falle selbe im vermehrten Masse eintreten sollte.
Originaltext (S. 151-155), ohne Gewähr!

Die Anwendungsweise : Trinkkur

Bezüglich der Trinkkur führt Eble → Dr. Mistruzzi - und → Dr. Niederhuber - an,
die einen derartigen innerlichen Gebrauch des Wassers häufig verordneten.
Ebenso mehrere → ältere Ärzte - die mit derartige Trinkkuren
zur Heilung von Geschwüren, Darmbeschwerden, Hämorrhoiden, Wurmkrankheiten usw. zu heilen versuchten.
Er selbst vergleicht die Wirkung gleich einem Brunnenwasser.

Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
Trinkkur
Endlich habe ich noch etwas Weniges über die Trinkkur zu sagen. Dass diese andere Wirkungen im Organismus erzeuge, als das Bad, habe ich schon früher weitläufig auseinandergesetzt, so wie auch angeführt, dass von einer eigentlichen Trinkkur, d. h. vom bloss innerlichen Gebrauch des Wassers in Gastein seit langer Zeit wohl selten oder nie die Rede sey.
Die ältern Ärzte scheinen jedoch weit mehr darauf gehalten zu haben; wenigstens empfiehlt der mehrgenannte Dr. Mistruzzi den innerlichen Gebrauch des Gasteinerwassers sehr in stomachi languore et frigidatione, cholica frigida, in renum et pectoris ulcere etc. Ja er will sogar damit eine Lungensucht geheilt haben. In Bezug auf die Art und Menge des Gebrauches gibt er folgende Vorschrift: "Nach der Ankunft pflege man zwei Tage der Ruhe, und nehme ein Purgans. Den 3. Tag beginnt man die Kur Morgens 5 Uhr mit 2 Pfund Wasser, wie es aus der Quelle fliesst; den 4. trinke man 3 Pf., den 5. 4 Pf., den 6. 6 Pf.; alsdann fünf Tage nacheinander 6 Pf., und nun steige man in derselben Ordnung wieder herab. Die ganze Menge für einen Tag soll innerhalb 1/2 - l Stunde verzehrt seyn. Nach dem Trunk gehe man gemächlich spazieren. Bis gegen Mittag färbt sich entweder der Urin, oder er geht in grosser Menge ab, in 20 Stunden ist alles getrunkene Wasser wieder aus dem Leibe. Sollte Jemand zugleich trinken und baden wollen, dann trinke er zuerst 10 Tage, und fange nun auch zu baden an. Das unvorsichtige Trinken macht Erbrechen, Urinverhaltung, Blähungen des Magens, Wassersucht, Cachexie u. andere damna irreparabilia."
Niederhuber setzt die Regeln über das Trinken des Gasteinerwassers folgendermassen fest, indem er bestimmt, "dass 1. alle jene, welche blödsüchtig (soll heissen phlegmatisch) sind, und schwache, ausgedehnte und zu Blähungen geneigte Verdauungswege haben, deren Schmeerbauch und Hypochondrien mit schleimichten Cruditäten und Verstopfungen angefüllt sind, welche öftern ermattenden Bauchflüssen unterworfen sind, die Quelle warm, und so warm, als es thunlich ist, trinken sollen. 2. Dass hingegen jene, welche ohnehin einen soliden Grad der Reizbarkeit besitzen, welche von vollblütiger, hitziger Natur sind, und aus dieser Ursache viele Anlage zur Hartleibigkeit haben, das warme Trinken vermeiden, und sich lieber des völlig erkalteten Wassers bedienen sollen." Nachdem wir in die früher angeführte ab- und nicht abführende Eigenschaft des Gasteinerwassers, wie sie Niederhuber beschreibt, bereits Zweifel gesetzt haben, so können wir natürlich auch dieser therapeutischen Ansicht in Bezug auf das Trinken unseres Heilwassers unsere Zustimmung nicht in vollem Masse geben. Wir bleiben vielmehr bei dem Satze stehen: dass dieses Wasser innerlich genommen, kaum andere Wirkungen hervorzubringen im Stande sey, als gemeines Wasser. Wie weit jedoch die Wirkungen dieses letzteren, in grosser Menge, lauwarm oder gar heiss getrunken, reichen, davon haben uns die in neuerer Zeit so berühmt gewordenen Wasserkuren, namentlich die Methode des Gadet de Vaux gegen die Gicht, seltsamen Aufschluss gegeben. - Demgemäss geht unsere Ansicht dahin, dass dieses Wasser innerlich genommen, die besänftigende, erweichende und auflösende, keineswegs aber die belebende und stärkende Kraft des Bades unterstütze, und dass es demnach auch in allen jenen Fällen mit Nutzen gleichzeitig getrunken werden könne. Wie viel Becher man übrigens jeden Tag trinken soll, hängt ganz und gar von der Individualität des Kranken, von den gleichzeitigen Wirkungen des Bades, und insbesondere von dem Zustande der Verdauungskräfte ab. - Man trinkt jedoch das Wasser am besten Vormittags, entweder während des Badens, oder zwei Stunden nach dem Frühstücke, so zwar, dass man wenigstens 1 Stunde vor dem Mittagsessen damit fertig ist. Die Zwischenzeit zwischen den einzelnen Bechern betrage 1/4 - 1/2 Stunde, je nachdem das eine oder andere zuträglicher scheint. Wer da glaubt, einen unverzeihlichen Fehler begangen zu haben, wenn er ein Paar Minuten oder 1/4 Stunde gegen die Vorschrift des Arztes länger pausirt hat, der gehört zu jenen Grillenfängern in Carlsbad und Marienbad, die mit der Uhr in der einen, und dem leeren Becher in der andern Hand, wie Verrückte auf- und abrennen, und ihren besten Freund, die interessanteste Sache von sich stossen, sobald ihr unruhiges Auge den Zeiger die bestimmte Minute berühren sieht!

Anmerkung 1. Die älteren Aerzte verordneten das Tropfbad auf den Kopf und Magen nie länger, als 1/2 - 1 Stunde früh und Abends durch 15 Tage. Nach der Kur soll die grösste Sorge für den Kopf in Bezug auf Sonne, Wind und Waschungen durch 40 Tage lang verwendet werden.

Anmerkung 2. Auch bei Excoriationen des Mundes, Zahnfleisches und Rachens, so wie bei tiefen Geschwüren und bei wackelnden Zähnen (?) bedienten sie sich dieses Wassers als Gargarisma exsiccans, abstergens et adstringens.

Anmerkung 3. Auch als Klystier wurde es empfohlen bei Kolikschmerzen, Geschwüren der dicken Därme, Ascariden, Hämorrhoiden; dann als Einspritzung bei Gebärmutterkrankheiten, namentlich bei Geschwüren, Vorfallen, und wo wegen Erschlappung der Samen in utero nicht zurückgehalten wird (?).

Anmerkung 4: Der jetzige Physikus und Badearzt zu Hofgastein Herr Dr. Kiene, hat sich dieses Wassers auch als warmes Getränk mit vielem Nutzen in der vor Kurzem zu Gastein herrschenden Grippe bedient.

Anmerkung 5: Ich kann ans eigener Erfahrung versichern, dass der längere Aufenthalt in den Bade-Zimmern wegen der fortdauernden Verdunstung des Badewassers, und der dadurch erzeugten höheren Temperatur als eine neue, bisher noch gar nicht praktisch gewürdigte Art zu betrachten sey, wie man die Wirkung der Wasserbäder auf eine eben so angenehme, als zweckmässige Art unterstützen kann. Es ist diess gleichsam ein Dunstbad in der allergelindesten und desshalb angenehmsten Form, die uns um so eher ansprechen wird , als es in Gastein bei regnichtem, kühlem Wetter kein zweckmässigeres Erwärmungsmittel, als der 1/2 - 1 stündige Aufenthalt in den Bade- oder in den ungeheitzten Vorzimmern gibt. Ich pflegte daher im letzten kühlen Sommer jeden Nachmittag mein Fussbad in dieser dunstschwangern Atmosphäre zu nehmen. Sollte dieser Versuch Nachahmer finden, so ist er zugleich ein bestimmender Grund mehr, die Bad- und Vorzimmer bequemer und netter, als bisher einzurichten.

Anmerkung 6. Nach Paracelsus hat man zu seiner Zeit in Gastein nur in Wannen gebadet.
Anmerkung 7. Man vermeide sorgfaltig, gleich nach einem heftigen Zorn oder Schrecken unmittelbar ins Bad zu steigen. Eben so sollen epileptische, zum Schlagfluss und Ohnmacht geneigte, oder überhaupt sehr schwache Personen nie allein baden.
Originaltext (S. 155-159), ohne Gewähr!
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Anmerkung: Der Text wurde dem Buch "Die Bäder zu GASTEIN" von Burkart Eble, 1834 - entnommen.

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