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Beim IV. Laterankonzil 1215 wurde die seit der Antike unumstrittene Einheit von Chirurgie und 'Innere Medizin' getrennt,
wobei die Chirurgie dem Bereich der professionellen Hochschulmedizin entrissen und als Handwerk Badern,
Bruch- und Steinschneidern oder Starstechern anvertraut wurden, nachzulesen im Buch "Geschichte der Medizin" von W. Eckhart.
Wurden anfangs Wunden bzw. Stich-, Hieb- und Quetschwunden mit Eisen und Feuer behandelt, d.h. erst ausgeschnitten,
dann durch das Glüheisen ausgebrannt, so entwickelten sich zunehmend Fertigkeiten in der Technik
der Blutstillung und das Anlegen von Schutz-, Druck- und Salbenverbänden.
Auch der häufige Verbandswechsel setzte sich schon bald durch.
Zusätzlich kamen Wundtränke, Pulver, Balsame, Salben und Pflaster zum Einsatz.
Noch am Beginn des 18. Jh. wurde die Chirurgie als zweitrangiges Heilgebiet aufgefasst und durch Vertreter der akademischen Medizin
kontrolliert.
Aus der Umklammerung der akademischen Medizin kam es erstmals in Frankreich, als durch die königliche Proklamation 1743,
das moralische und soziale Ansehen des französischen Chirurgenstandes
durch die Abgrenzung der Gilde der Barbiere und durch die Angleichung an den Ärztestand möglich wurde.
In Deutschland war es die Berliner Charité, in der erstmals in ein Krankenhaus ein Operationssaal integriert wurde.
Vornehmlich in der zweiten Hälfte des 18. Jh. kam es zur Ausbildungsverbesserungen der Chirurgen und es entstanden besondere
Schulen, wie 1785 die Josefinische Medizinisch-Chirurgische Akademie in Wien.
Sebastian Hinterseer schreibt in seinem Buch "Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins": Ärzte in unserem Sinne gab es in der ältesten Zeit nicht. Die ärztliche Betreuung der Bevölkerung übten die sogenannten "Pader" aus, oft in äußerst primitiver Art und Weise in richtiger "Salbaderei", oft verbunden mit allem möglichen Aberglauben und Aberwissen, oft aber sicherlich auch unter sehr geschickter Verwendung natürlicher Heilmittel, wie sie die verschiedensten Alpenkräuter der Gegend boten, "Hausmittel", die mit gewisser Berechtigung auch heute noch mit Erfolg verwendet werden. Sie unterhielten einige Badstuben, wo sie vor allen Dingen auch zur Ader ließen und schröpften. Gewöhnlich waren sie auch "Wundt- oder Schnittärzte" mit handwerklich angelernten Gehilfen, sogenannten "Arztknechten". Der Beruf eines Baders war damals schon sehr einträglich.
» Meister der freien Kunst des Stain- und Bruchschneidens, auch Leib- und Wundarzt «
Die Lehrzeit eines Baders betrug drei Jahre und endete mit einem Freibrief als
"Meister der freien Kunst des Stain- und Bruchschneidens, auch Leib- und Wundarzt" oder auch als "Schnid-,
Leib-, Wundarzt und Pader" mit folgenden Utensilien:
"ain Pader Filzl, darinnen ain Schär, 2 Schermesser, ain Khämpl, ain Lederfähl, 2 Köpfl-Eisen, 2 Adereisen und ain Lichtstein" -
eine ansehnliche Ausrüstung für zukünftige Tätigkeiten.
» Die Einrichtung einer Padstuben «
Meist hatten die Bader auch Badstuben.
Was eine "Padstuben" an Einrichtung enthielt, zählt der "Kaufbrief" auf, mit dem am 10. Juni 1638 der
nachmalige Bader von Hofgastein, Thoman Müllner, vom Meister Simon Hütter beim Pfleggericht Taxenbach das "Gemeine oder Hailpadt"
in Taxenbach erwarb: "ain eingemauerter Khössel, ain aißner Feuerhuet, drei Schäffer, sieben Sachter, ain Khiebl und Padtwändl"
(zitiert bei Zimburg S. 158).
» Die Bader in Gastein bis 1900 «
1493 Thoman, pader im sogenannten "GmainPadthauß oder Gmainpadt" der 5. Hofstath im Markt, dem heutigen
Weißgerberhaus Nr. 86, genannt in den Urbarien.
1497 Dietrich, Meister Wolfgang, der Arztknecht im Wildbad, genannt in der Steuerliste von 1497.
1502 Meister Hans, Pader zu Wildbad.
1503 Mathes Häckl, Pader (tätig im oben genannten "Padthauß" im Markt)
1518 Thoman, Pader vom "gmain Padt", wahrscheinlich ein Sohn des obigen.
1544 Thoman Häckhl, Pader daselbst.
1632-1644 Hannß Wagner, Pader zu Hof und Wundarzt.
1644 Georg Nußpämer und Thomas Nußpämer, Bader und Wundarzt bei dem Wildbad (erwarb von Veith Straubinger im Jahre 1643 das
Krückelbad, heute: Lainerhaus).
1648 Thoman Müllner, Pader zu Hof.
1660 Isaac Arlschwaiger, Pader und Wundtarzt beim Wildtpadt.
1697 wird von Hofgastein in einer alten Schrift berichtet, daß schon ein Chiruogo (und zwar Augustin Rannach) im Markte gewesen,
tätig im sogenannten Baderhaus. Er hätte sich aber hier nicht halten können und sei dann bald darauf ins Wildbad.
1711 wird Johann Lambert Franezin, Pader und Wundtarzt beim Wildtpadt genannt. Er war auch bürgerlicher Handelsmann zu Hof.
1730-1750 Christianus Entfellner, chyrurgus ad thermas
1753 Johann Michael Niglhofer, angehender Pader und Wundarzt beim Selbwarmen Wildpadt, genannt als Käufer der dortigen Willendtischen Hofstat.
1787-1813 Josef Schranner, Wundarzt und Geburtshelfer in Hofgastein.
1787 Franz Gabriel Gschray, Exam. Spithall Chyrougus im Wildbad, bittet um Belassung der Gerechtsame und Berücksichtigung, wenn einer neu angestellt werden soll.
1824 Matthias Lainer, Chirurg bis 1869 in Bad Gastein.
1851 Johann Gotter, Wundarzt und Chirurg in Hofgastein. Hier geboren spielte er offenbar im Revolutionsjahr 1848 eine besondere Rolle,
wie S. Hinterseer in seinem Buch schreibt. 1852 erschien von ihm
ein Gedichtbacnd, meistens Sagen aus der Gastein. Gotter wurde zum 1. förmlichen Landrat 1861 als Abgeordneter
gewählt. Er starb am 25. Juli 1865 an "Schlagfluß".
1862 Jast, Wundarzt in Hofgastein.
1869 Konstantin Klumpner, Wundarzt in Bad Gastein, übernimmt nach dem Tode Lainers dessen Stelle (ordinierte in der alten Straubingerhütte, die hinter dem Hotel Austria stand und 1948 abgerissen wurde).
» Isaac Arlschwaiger - Pader, Kosmetiker, Geschäftsmann «
1660 Isaac Arlschwaiger, Pader und Wundtarzt beim Wildtpadt, half seinen Patienten nicht nur durch die Bäder, sondern er verschrieb ihnen auch verschiedene "Saftl", wie Zimburg berichtet.
Arlschwaiger hatte als seine besondere Spezialität ein "Leberpflaster", das geradezu Wunder wirkte,
und eine Salbe für Frostbeulen, mit Limone zubereitet. Außerdem verordnete er Holundertee,
Kranewitten (Wacholder) in Beeren-und Schnapsform zur Magenstärkung und ein aus Kalmus, Kümmel und Enzian bereitetes Magenpulver.
Für Magen- und Blasenleiden empfahl er besonders sein Kranewittwasser als "ordinari Kur Trunkh".
Außer diesen inneren Mitteln war aber damals auch noch das Schröpfen und Aderlassen üblich,
das fast jeder Gasteiner Kurgast über sich ergehen lassen musste.
Auch vertrieb er als Kosmetiker und wohl auch guter Geschäftsmann
"unterschiedliche Wasser und Pulffer", wie das Schlüsselblumenwasser,
Salbeiwasser, Kranewittöl und Weißlilienpulver für die Entfernung von Runzeln, Haarausfall, gegen rote Nasen u. v. a. an.
» Hofgasteiner wollen nicht bloß "einen Bartscherer und Salbader" haben «
1787 Joseph Virgilli Schwaiger, Exam. Chyruogus im Wildbad (lat. chirurgus,
griech. cheirourgos - χειρουργος,
Wundarzt, eigentl. Handwerker), beklagt sich über einen Pfuscher zu Dorff,
über die "unnützbaren Kalbsärzte" und darüber, daß sein Recht geschmälert würde, wenn man einen Arzt zu Hof anstelle,
wie es die Hofgasteiner wollen und es genüge, wenn einer ihrer Gehilfen des öfteren nach Hof komme.
Die Hofgasteiner aber wollten einen eigenen Bader im Markt und wenden sich an den Erzbischof.
Der Hof-Rath zu Salzburg erwiderte 1787, dass der Bader Schwaiger in Bad Gastein sehen soll, das eine seiner Töchter
einen tüchtigen Chirurgen heirate, damit dieser nach Hofgastein ziehen könne.
Die Hofgasteiner aber lassen nicht locker, suchen 1788 erneut an und berichten davon,
daß die beiden Bad Gasteiner Gschray und Schwaiger immer behaupten, ihre Gerechtsame würde dadurch beschnitten und weiter:
"auch wenn die Schwaigertocher heirate, müsse der neue
Chyruog bey dem Hochfürstlichen Collegio Medico vorerst gebrieft werden". Die Hofgasteiner wollen auch nicht
bloß "einen Bartscherer und Salbader" haben, sondern einen mit guten Kenntnissen begabten Chirurgen.
1789 verspricht der Schwaiger "mit Mund und Handt, wie es einem Bräffen Manne zugehört" dem Josef Schranner
(Geselle, Gehilfe und schließlich Schwiegersohn) die Badergerechtsame.
Die Bürger von Hof zahlen einen entsprechenden Beitrag. Der Schranner aber wurde zur Prüfung nach Salzburg abgeschickt
und schließlich von dort zugelassen und Die Gerechtsame soll zu Hofgastein gehören.
» Bader Josef Schranner versus Badearzt Dr. Storch «
Der Beschwerde des Hofgasteiner Wundarztes und Geburtshelfers Schranner (1787-1813) bei der
Landesregierung gegen Dr. Storch wurde nachgegeben und dieser daraufhin angewiesen,
daß er die chirurgischen Eingriffe den Badern
überlassen müsse "um so jeden Schein einer Schmälerung deren Nahrungsquelle" zu vermeiden, jede
Störung eines guten Einvernehmens hintanzuhalten und so ein weiteres Einschreiten der Regierung unnotwendig zu machen.
Als Wundarzt Schranner aber im Jahre 1813 starb, sorgte Dr. Storch dafür, daß die bayrische Regierung in Salzburg den
beiden in Gastein tätigen Barbiergesellen ("Bartschererburschen") die Ausübung jeglicher ärztlicher Tätigkeit
strengstens untersagte.
Dr. Storch, der es als Gasteiner Badearzt zu Ansehen und Vermögen gebracht hatte und dessen Verdienste durch Verleihung
von Orden und Titeln und anderen Auszeichnungen vielseitige Anerkennung gefunden haben, hatte sozusagen den
Grundstein gelegt für die Bad Gasteiner Badeärzte.
Weiterführende und verwandte Themen : |
• Dokumentation : Ärzte in Gastein - bis 1945
• Dokumentation : Dr. Otto Gerke - Arzt im Wildbad • Dokumentation : Dr. Gustav Pröll - Arzt im Wildbad • Geschichte : Ärzte im Wildbad - Paracelsus |
Anmerkung: Die Informationen wurden auszugsweise dem Buch -
"Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins" von Sebastian Hinterseer, 1977 -
sowie dem Buch: "Geschichte der Medizin" von W.Eckhart, 1990 - u. a. entnommen.
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Gastein im Bild - Dokumentation
Geschichte - Leib- und Wundärzte
© 2010 Anton Ernst Lafenthaler
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