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Geschichte Gasteins Themen-Wahl |
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Burkhard Eble beschreibt in seinem Buch "Die Bäder zu GASTEIN" die Behandlungsmöglichkeiten zahlreicher Erkrankungen,
aber insbesondere die Art und Weise, wie die Kur bzw. die Bäder zu gebrauchen seien. Zuvor werden noch die Qualität
bzw. die physikalische und chemische Eigenschaften der Gasteiner-Thermen beschrieben und anschließend 1. die spezifischen Heilkräfte und
die Wirkungsart, 2. die An- und Gegenanzeigen und 3. die zweckmäßige Anwendungsweise je nach der individuellen Krankheit.
Und so meint Burkhard Eble das "Fünfte Hauptstück" einleitend:
"Jetzt aber beginnen wir ein ungleich wichtigeres Werk, indem wir gleichsam ihr innerstes
Wesen zu ergründen und darzustellen versuchen, welche Wirkungen sie auf belebte, organische Geschöpfe,
und namentlich auf den Menschen im gesunden und kranken Zustande zu haben pflegen, in wiefern sie also zur Heilung
oder wenigstens zur Linderung gewisser Krankheiten wesentlich oder gar einzig beitragen, und wie sie demgemäss am
besten in den Organismus aufzunehmen sind." -
» Primäre Wirkung «
a. → Primäre Wirkung - Nimmt der "wirklich Kranke" nun ein Vollbad - so verspürt er zunächst eine unangenehme Kühle,
gefolgt von einer zunehmend angenehmen Wärme und einer auffälligen Beschleunigung des Kreislaufes. Der Puls wird beschleunigt, beruhigt sich aber nach einer Viertel Stunde.
Es beginnt die Periode des behaglichen Wohlgefühls. Verliert sich dieses Gefühl, muss das Bad sofort verlassen werden.
Danach ist Ruhezeit geboten und Zwei bis drei Stunden nach dem Bade fühlt man sich ungefähr wieder so, wie vor demselben.
Bleibt man zu lange im Bad, treten Schwindel und starkes Klopfen der Arterien auf.
Nach einem zweckdienlichen Spaziergang geht man zu Tische und es tritt eine neue Flut des Lebens ein, die Verdauung.
Nach 3-4 Stunden ebt diese Flut ab und es erhebt sich nach Mitternacht, gegen 2-3 Uhr Morgens das Blutleben neuerdings,
mit leichtem Schweiß, schnellen Puls, regen Geschlechtstrieb und lebhaften Träumen.
Unheilbar Gelähmte verspüren gar nicht von der Heilwirkung des Bades und Hypochondristen und Hysterische nur wenig.
» Sekundäre Wirkung «
b. → Secundäre Nach- und Endwirkung - Beschreibt die Wirkungen, welche man erst nach dem Gebrauch mehrerer Bäder bzw.
während der Badekur im Ort verspürt. So fühlt man sich nach dem 3. bis 8. Bade etwas abgeschlagen
und man sollte sich von einem Arzt beraten lassen, wie die Kur weiter betreiben soll.
Der Organismus reagiert nun empfindlicher und Schmerzen werden nicht selten stärker. In diese Zeit kommt es gewöhnlich auch
Diejenigen, die nach der Vorschrift eines verständigen Arztes weiter baden, bis zum 15. - 20. Bade
folgt eine noch stärkere Aufregung des Körpers. Es ist die Hauptkrise mit auffälligen
Reaktionen mit einer Verschlimmerung der bestehenden Krankheit.
Letztlich aber gilt als die vierte Periode, dass viele erst, nachdem sie nach Hause gereist sind Linderung verspüren.
Nachfolgend sollen die An- und Gegenanzeigen angeführt werden, wobei die Wirksamkeit des Bades in der Erregung des gesamten Organismus mit anschließender Erschöpfung in eine Überreizung mündet. Zeitweise Entziehung des Reizes durch Aussetzen der Badekur kommt es zu einer erhöhten Reiz-Empfänglichkeit. Alle Symptome einer Krankheit verstärken sich somit in der ersten Badeperiode. Was nun das warme Wasser enthalte, um eine derartige heilende Wirkung zu bewirken, lässt auch Eble spekulativ, zumal die Radioaktivität des Wassers ja noch nicht bekannt war. Nach einer Ruhepause folgt eine zweite Verschlimmerung der Symptome und erst dann kommt es zur Heilung, wie Eble im Kapitel → Resultate - ausführt. Dabei finden sich auch zahlreiche → Theorien älterer Ärzte - zur Wirksamkeit des Gasteiner Wassers. Es folgen die Gegenanzeigen, also jene Krankheiten, die eine Badekur keinesfalls erlauben.
Zunächst wird die primäre Wirkung des Vollbades, insbesondere auf das Gefäßsystem
beschrieben, und zwar → während des Badens - gleich → nach dem Baden -
sowie zu späterer Stunde nach dem Spazierengehen → gegen Abend - und
um → Mitternacht - nicht ohne festzustellen,
dass bei einigen das → Bad wirkungslos - sei.
Mit den sekundären Erscheinungen meint Eble "diejenigen Erscheinungen, welche man erst nach dem Gebrauche mehrerer Bäder während des Aufenthaltes im Kurort wahrnimmt. Erste Reaktionen werden gewöhnlich nach dem → 3. - 8. Bade - bemerkt und dabei die erste Periode der Badekur vollendet. Mit dem Fortgebrauch des Bades folgt eine ruhigere → zweite Periode - ohne auffällige Erscheinungen. In diese Zeit fällt auch das Auftreten des durch das Thermalwasser bedingten → Badeausschlages - welcher bei Nichtbehandlung sehr hartnäckig sein kann. Bis zum 15. - 20. Bade treten dann als → dritte Periode - der Kur wieder eine starke Reaktionen auf und "das ist die Zeit der eigentlichen Hauptkrise" mit Verschlimmerung der Krankheit. Bei den meisten chronischen Erkrankungen aber ist die → vierte Periode - entscheidend. Dabei kommt es erst zur Heilung, wenn Genesende bereits den Kurort verlassen hat.
Nun werden die → Wirkungen des Gasteiner Wassers - zusammengefasst und insbesondere der Versuch unternommen, die → Zusammensetzung und Wirkungsweise - des Heilwassers zu erklären. Dabei werden auch die Ausführungen von → Schweigger - Seidel - angeführt. Zu den Resultaten meint Eble, sind es lediglich die "mehr oder minder stark hervortretenden Heilbestrebungen des kranken Organismus", was letztlich die Heilung bewirkt d. h., das Bad vermag individuelle Krankheiten zu heilen, indem es die allgemeinen → Lebensprozesse - anregt und so auf den Gesamtorganismus wirkt. Was die - Trinkkur - betrifft, so will Eble davon keinen Effekt verspürt haben. Was das Einatmen der Dämpfe betrifft, so wird dafür zur Gänze die → Elektrizität - als Ursache angeführt. Niederhuber nimmt mit seinen Ausführungen ein → feines unsichtbares Wesen - im Heilwasser an, was wohl mit dem später entdeckten Radon gleichzusetzen wäre. Bzgl. der → Aufnahme der mineralischen Kräfte - meint Eble, gehe diese nicht über die Haut, sondern führt neben der mineralischen Zusammensetzung wieder die Elektrizität an. Zur → Homöopathie - hingegen findet Eble keinen Bezug und macht sich darüber geradezu lustig.
Textauszug von Burkhard Eble, "Die Bäder zu GASTEIN", 1834 :
d. Resultate. |
1. Das Gasteinerwasser ist in seiner Erstwirkung ein wohl zu beachtender positiver, allgemeiner und dynamischer Reiz
für den Organismus. Denn es steigert offenbar die Lebenskräfte des ganzen Körpers, und erregt dieselben mit Zugabe (positiv);
es wirkt ferner nicht bloss örtlich, noch weniger specifisch auf gewisse Organe und Systeme, und am allerwenigsten bezieht sich seine
Wirkung vorzugsweise oder direct auf Veränderung der Form und Mischung, sondern zunächst auf die Kräfte des Gesammt-Organismus.
Hieraus ergeben sich nun folgende Erscheinungen beim Gebrauche dieses Wassers:
a.) Es wird dadurch die Erregung des gesammten Organismus erweckt und verstärkt. Diess bestätigen die oben angeführten Erscheinungen der vermehrten Belebung, und namentlich die bedeutende Aufregung des Blutlebens bei den Badenden. b.) Zu anhaltender Gebrauch desselben, also zu langes Baden überspannt die Erregung, und führt nach und nach zur Erschöpfung der Erregbarkeit. Daher erklärt sich die in solchem Falle eintretende Mattigkeit, Schläfrigkeit, Schwindel, ja selbst Ohnmacht und Schlagfluss durch Überreizung. c.) Zeitweise Entziehung dieses Reizes erhöht die Empfänglichkeit für denselben, und steigert sonach auch seine relative Wirksamkeit. Daher, ist es einerseits oft wohlgethan, während der Badekur von Zeit zu Zeit 1 - 2 Tage lang mit dem Baden auszusetzen, anderseits fliesst hieraus der gute Rath, in solchem Falle jederzeit wieder mit 1/4 - 1/2 Badezeit die Kur von neuem zu beginnen. d.) Bei zu lange fortgesetztem, wenn gleich übrigens zweckmässig geleitetem Gebrauch des Bades verliert dieses nach und nach von seiner Kraft in dem Masse mehr und mehr, als sich der Organismus mit ihr befreundet, ausgleicht, oder mit andern Worten, daran gewöhnt. Desshalb wirkt das Bad am allerstärksten in der ersten Periode der Kur, und Kranke, welche so unvorsichtig sind, gleich von dem Reisewagen aus in das Bad zu steigen, oder gleich Anfangs 1/2 - 1 Stunde darin zu verweilen, bezahlen diess nicht selten damit, dass sie dann wegen unverhältnissmässiger Aufregung ein Paar Tage mit dem Gebrauch des Bades ganz aussetzen müssen, oder selbst noch grössern Schaden erfahren•). Daher kann auch eben so wenig ein z.B. 3 Stunden lang fortgesetztes Bad dieselbe Wirkung machen, welche sich ergibt, wenn man binnen 3 Tagen jedesmal eine Stunde lang badet; als auf der andern Seite eine, mehrere Monate fortgesetzte Badekur so wirksam seyn wird, wie wenn man dieselbe Anzahl Bäder innerhalb zwei Sommerperioden oder in einem einzigen Sommer, mit einer freien Zwischenzeit von 1 - 1 1/2 Monaten gebraucht. •) Ein Bekannter von mir, der dieses Bad schon einige Jahre mit dem besten Nutzen gegen Sand und Stein gebrauchte, verspürte, als er, nachdem er den Weg von Hallein bis Hof in einen Tag zu Fuss zurückgelegt hatte, noch denselben Abend badete, an der ganzen Hautdecke ein starkes Prickeln, und langedauerndes flüchtiges Stechen. 2. Auf einen ganz gesunden Menschen wirkt das Bad bloss allgemein erregend. Doch spricht sich diese Wirkung vorzugsweise und zuerst im Gefäss- und höhern Nervensystem, dagegen erst später in dem reproductiven Leben aus. Der Kranke aber fühlt nebst dieser allgemeinen Aufregung noch eine besondere in dem betreffenden kranken Organ oder Theil, und zwar zeigt sich diese um so deutlicher, je mehr das hier zu heilende Übel ein sogenanntes äusseres, örtliches ist. Daher verstärken sich auch in der ersten Badperiode gewöhnlich alle Symptome der Krankheit: die Schmerzen werden heftiger, die Empfindlichkeit gegen äussere Einflüsse grösser, die Abgeschlagenheit und Schwäche stärker, die krankhaften Secretionen häufiger, oder im Gegentheil auffallend unterdrückt u. s. w. 3. Die Gasteinerquelle gehört, wie wir schon wissen, zu jenen, wie Hufeland sagt, geheimnissvollen, wunderbar kräftigen Thermen, welche ohne hervorstechende mineralische Bestandtheile dennoch sehr auffallende Wirkungen hervorbringen; sie wirkt daher vorzugsweise dynamisch. Ich sage vorzugsweise, denn es scheint mir doch gewagt, zu behaupten: dieses Wasser bedürfe der wenigen fixen Bestandtheile ganz und gar nicht, um gerade so und nicht anders zu wirken; und seine Kraft als blosses warmes Wasser verdiene ebenfalls keiner besondern Würdigung. Ich bin vielmehr der entschiedenen Meinung, dass man die verdünnende, auflösende, alle Se- und Excretionen befördernde und zugleich besänftigende Wirkung des warmen Wassers überhaupt bei allen Mineralbädern gar sehr in Anschlag zu bringen habe•) ••), besonders wenn man bedenkt, dass es sich hier nicht um eine künstlich hervorgebrachte Wärme handle, sondern dass selbe als Product der grossen, und trotz allen unsern Forschungen bisher doch noch ganz unerklärten Processe anzusehen ist, welche im Innern des Erdballs auf eine jedenfalls staunenswerthe Art fortan von Statten gehen müssen. In Bezug auf diese Wärme ist ihr Grad eine besondere Eigenthümlichkeit der Gasteinerthermen, wenn man damit die Menge der in denselben aufgelösten fixen Bestandtheile vergleicht. Bekanntlich ähnelt diese Quelle am meisten jenen vom Wildbad in Würtemberg, ferner von Pfäfers in Graubündten; allein die erstem haben nur eine Temperatur von +27 - 28° R., und enthalten in 16 Unzen nur 1,00000 Gran; letztere bei einer Temperatur von +29 - 30° R. noch 3,01 Gran, nach Pagenstecher's Untersuchung vom Jahre 1832 in 100 Unzen Nürnberger Medicinalgewicht 11,266 Gran fixer Bestandtheile. Alle übrigen mir bekannten Mineralquellen, deren Temperatur +36 - 38° R. erreicht, zeichnen sich durch viele, und auch sonst sehr wirksame mineralische Bestandtheile aus, und Gastein ist vielleicht der einzige Ort der Welt, dessen Heilquelle so zu sagen ohne jene dennoch einen so hohen Grad von Wärme besitzt. Man hat viel über die innige, und durch keine Kunst hervorzubringende Bindung dieser Wärme an das Heilwasser gesprochen, und dadurch zum Theil die wunderbare Wirkung der selben erklären wollen. Allein die Erfahrung hat hinreichend dargethan, dass sowohl im Gasteiner-, als auch im Leuker- und Pfäfersbad die Abkühlung des Heilwassers ganz genau in derselben Zeit und nach denselben Proportionen erfolge, wie beim gemeinen Brunnenwasser derselben Gegend. •) Schweigger - Seidel sagt in dieser Beziehung, das Gasteiner Wasser gehört zu den Mineralquellen, welche durch allgemein geringen Gehalt von fixen Bestandteilen sich auszeichnen. Wird man deswegen zu fingirten Mischungsverhältnissen und Imponderabilien, zu unklaren Hypothesen von verborgenen Qualitäten u. dgl, seine Zuflucht nehmen müssen, um den gerühmten Heilwirkungen solcher Wasser Glauben zu verschaffen, und den guten Ruf derselben aufrecht zu erhalten? Wir glauben nicht. Vielmehr konnten die Heilwirkungen solcher Wasser ja ganz naturgemäss gerade vorzugsweise ihrer grossen Reinheit oder Weichheit zugeschrieben werden, vermög welcher sie eindringender, auflösender wirken, und die Circulation der Säfte in den feinern Gefässen in ungleich höherem Grade befördern, als die meisten ändern Wasser. Angesehene Chemiker haben seit langen Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten diese Ansicht ausgesprochen, und zwar nicht bloss mit Beistimmung der meisten Naturforscher, sondern auch mehrere ausgezeichneter, vorurtheilsfreier Ärzte, die darum nichts desto Weniger das Gasteinerbad und ähnliche dieser Art in Ehren halten. Leider fehlt es dagegen auch nicht an Naturforschern, welche durch unklare Begriffe, vage Ansichten, auch wohl unhaltbare Versuche, anstatt Vorurtheile dieser Art durch das Licht der Wahrheit zu zerstreuen, dieselben fortwährend unterstützen, und auch, wohl noch neue, mit trügerischem Scheine tiefer wissenschaftlicher Begründung hinzufügen. Für homöopathische Ärzte hat die Natur in solchen Wässern unerschöpfliche Quellen von Heilmitteln ausgegossen, welche nicht erst mühseligen Verdünnungen und ermüdender Armschläge beim Reiben und Schütteln bedürfen, um ihre arzeneiliche Kraft zu entwickeln. Auch ist es nicht einmal nöthig, die geringen Spuren salinischer Bcstandtheile bei Beurtheilung dieser Wasser ganz ausser Acht zu lassen, und sie geradezu dem distillirten Wasser gleich zu stellen; ohne zur homöopathischen Secte sich zu bekennen, kann der vorurteilsfreie Arzt dennoch, unter gewissen Umständen und bis zu einem gewissen Grad, auch wohl a minimis maxima mit gutem Grunde erwarten! ••) Rust schreibt die Wirksamkeit der, besondere Bestandtheile entbehrenden Mineralwässer ihrer auflösenden Eigenschaft, als blosses destillirtes Wasser zu. Versuche, die er mit Bädern aus destillirtein Wasser anstellte, wiesen jedesmal eine weit grössere Menge ausgeschiedener thierischer Stoffe nach, als die Anwendung des gemeinen Wassers zum Bade bewirkte. 4. Das Gasteinerwasser scheint sich vor den mit ihm verwandten Quellen dadurch auszuzeichnen, dass es bei gleichem Wärmegrad viel stärker wirkt, als diese. Denn während man im Wildbad (Würteinberg) Pfäfers und zu Leuk in Wallis, theils zu +29 - 30° R. und darüber, theils wenigstens nicht selten des Tags mehrmal, ja selbst 10 - 12 Stunden mit Vortheil badet, würde man sich zu Gastein, wenigstens in den allermeisten Fällen dadurch gewiss einer grossen Gefahr aussetzen. Ja ich habe an Gesunden und Kranken, so wie auch an mir selbst die wiederholte Erfahrung gemacht, dass ein Bad von 1/4 - 1/2 Grad höherer Temperatur als gewöhnlich (+28° R.) die Wirkung plötzlich und auffallend verstärkte. So stieg ich im Jahre 1830, bei einem allerdings sehr reizbaren Blutgefässsystem, und bedeutender Schwäche, in Gesellschaft eines kräftigen, jugendlichen Freundes in das Bad, ohne es vorher mit dem Thermometer geprüft zu haben. Wir fanden beide die Temperatur anfangs recht angenehm; allein kaum hatte ich mich im Bade niedergesetzt, als mir plötzlich die ganze linke Seite des Kopfes sehr heiss zu werden anfing, und ich in banger Besorgniss auf meinen nebenstehenden Freund blickte. Aber wie sehr erschrack ich, als dieser sonst blühende und starke Mann mit bleicher Miene mir sagte: dass ihm unwohl werde. Wir eilten sogleich der Treppe zu, wo wir uns alsbald wieder erholten, und nun nach dem Thermometer riefen; es zeigte +28 1/2° R., also eine Temperatur, die zwar um 1° höher, als die meines gewöhnlichen Bades zu Gastein war, bei welcher ich aber 3 Wochen früher zu Baden bei Wien über Kälte geklagt hatte ! (Solche auffallende Wirkungen eines nur wenig vermehrten Wärmegrads erfahren die Kranken gewöhnlich nur im Anfang der Kur, so lange sich ihr Organismus mit dem neuen, ungewohnten Reize noch nicht gehörig befreundet hat). Das Wildbad und Pfäfers haben übrigens das vor Gastein voraus, dass das Heilwasser, so wie es aus dem Schoosse der Natur quillt, nicht abgekühlt werden darf, sondern in seiner Urkraft und jugendlichen Lebendigkeit, oder, wie Paracelsus sagt, in seiner noch elementarischen Welt den Körper umfluthet, und in fortwährender Strömung zu- und abfliesst. In Leuk dagegen (unweit der Gemmi 4400 Fuss über dem Meere) muss das Wasser ebenfalls 10 - 12 Stunden in der Nacht stehen, um auf +29 - 30° R. auszukühlen. Man beginnt dann das Baden mit 1/2 Stunde , und steigt allmählich bis auf 8 Stunden täglich, indem man sich Morgens 4 Uhr ins Bad begibt, bis 9 - 10 Uhr darin verbleibt, um 11 Uhr speist, um 2 Uhr wieder ins Bad geht, und bis 5 Uhr darin verweilt. Erst bei +32° R. soll dieses Bad Kopfweh verursachen. - Diesen angeführten auffallenden Unterschied in der Wirkung des Gasteinerwassers, verglichen mit jener vom Wildbad, Pfäfers und Leuk könnten wir allenfalls durch seine besondere Eigenschaft, die Electricität viel stärker, als gewöhnliches Wasser zu leiten, erklären, wenn wir überzeugt wären, dass die andern verwandten Mineralquellen von diesem Vermögen ausgeschlossen wären. Es ist daher eben so sehr zu bedauern, dass an keinem der genannten Orte mit dem Mineralwasser ähnliche physikalische Versuche, wie die von Baumgartner angegebene, vorgenommen worden sind; als man sich der zuversichtlichen Hoffnung hingeben muss, dass diess sobald als möglich geschehen werde. 5. Unser Heilwasser wirkt verschieden, je nachdem es als Bad verwendet oder getrunken wird. Die allgemeinste und hauptsächlichste Wirkung des Bades ist erwärmend und belebend. Diese Wirkung spricht sich aber am menschlichen Organismus verschieden aus, je nachdem die Individualitätsverhältnisse desselben überhaupt, und der individuelle Krankheitsfall insbesondere hierauf Einfluss haben; auf solche Art kann das Bad in einem Falle bloss reizend, erregend, in dem andern besänftigend; hier stärkend, dort auflösend wirken. Ich glaube aber ganz und gar nicht zu irren, wenn ich annehme, dass die wesentliche Wirkung des Bades einzig und allein in vermehrter Belebung und Aufregung des gesammten Lebensprocesses bestehe; und dass die secundären Wirkungen lediglich von den genannten Individualitätsverhältnissen, oder mit andern Worten von den mehr oder minder stark hervortretenden Heilbestrebungen des kranken Organismus, welche durch das Bad hervorgerufen werden, abhängen. Wenigstens kann man nur auf diese Art die scheinbaren Widersprüche erklären, wonach dieses Bad hier die im Erlöschen begriffene Lebenskraft wieder zu neuer Thätigkeit anfacht, dort Convulsionen, Krämpfe und Schmerzen hebt; da Blutflüsse stillt, dort wieder selbe hervorruft; in einem Falle Verstopfung hebt und Durchfall bewirkt, im andern habituelle Diarrhöe stillt; hier auffallend stärkt, und dort die mit kranken Säften überfüllten und verdickten Organe schmelzt. Denn es wäre gewiss lächerlich, einen Verein so verschiedenartiger Arzneiwirkungen in einem und demselben, an fixen Bestandtheilen noch obendrein so armen Heilwasser zu suchen, und ihm zugleich eine incitirende, besänftigende, stopfende, zusammenziehende, öffnende, auflösende und stärkende Kraft beizulegen. Auch kann man so heterogenen Krankheitserscheinungen keinen gemeinschaftlichen Causalnexus zu Grunde legen, sondern der einzige Ausweg ist dadurch gegeben, dass man festhält: Dieses Heilwasser richtet seine Hauptwirkung nicht auf dieses oder jenes System oder Organ; sondern auf den Gesammt-Organismus, dessen Lebenskräfte es unter der Form und den Äusserungen der Naturheilkraft und bethätigt, und auf solche Art individuelle Krankheiten zu heilen vermag. Innerlich genommen, d. i. getrunken wirkt das Gasteiner Wasser nicht allein viel schwächer, sondern sogar anderartig. Denn wenn man auch annimmt (was übrigens noch gar sehr der Bestätigung bedarf), dass in Zeit von einer Stunde 4 Pfund im Bade eingesogen werden, und dieselbe Menge statt durch Haut und Lungen, durch die Verdauungswege in den Körper dringt; so wird man im letzten Falle doch nicht allein eine viel schwächere, sondern auch eine ganz andere Wirkung verspüren. Ich habe diess zu wiederholtenmalen an mir selbst versucht, indem ich mehrere Tage das Bad aussetzte, und dafür täglich einige Gläser warmen Heilwassers trank. Niemals spürte ich bei vier Gläsern eine solche Aufregung der Lebenskräfte, wie ich schon nach einem halbstündigen Bade beobachtete; und auf der andern Seite ging ein grosser Theil des, obgleich in einer Zwischenzeit von 1 1/2 Stunde getrunkenen Wassers so schnell durch den Urin wieder ab, wie diess nie nach dem Gebrauch des Bades geschieht. Bei einem Wasser, das so ausgezeichnet wenig mineralische Bestandtheile hat, wie das Gasteiner, kann ich mir diesen Umstand nur allenfalls durch die Annahme erklären, dass es bei der Trinkkur in den ersten Wegen auch in seinen dynamischen Kräften so neutralisirt werde, wie diess der Fall bei den meisten thierischen Giften ist, wenn sie in die Verdauungswege gebracht werden. Es scheint daher unser Wasser zwar die Verdauungsorgane etwas anzuregen, und deren Secretionen wohl einigermassen zu bethätigen, übrigens aber in weiterer Beziehung, und namentlich in seiner secundären Wirkung sich beinahe als blosses warmes Wasser zu characterisiren. Niederhuber (in seinen Erläuterungen über das Gasteiner Wildbad pag. 51) sagt in Bezug auf die Trinkkur: "Die stäte Beobachtung beweiset, dass das Trinken der Quelle, es geschehe nüchtern, oder nach genommenen Speisen, nicht die mindesten Beschwerden im Magen verursache, dass das Wasser leicht abgehe, wenn es auch in einer beträchtlichen Menge getrunken wird; dass es den Abgang befördere, Lust zum Essen erwecke, und folglich die Verdauungswege stärke, und ihre Arbeiten unterstütze." Weiter heisst es: "dass das warme Wasser die Leibesöffnung zwar nicht allzeit und ohne Ausnahme bei jedem, aber doch bei vielen vermindere, mehr oder weniger nach dem Verhältniss der Subjecte, und dem Wärmegrad des getrunkenen Wassers; dass hingegen das über Nacht stehen gebliebene, ganz erkaltete Wasser den Stuhlgang befördere, sehr oft auch einiges Laxiren verursache." - Wenn ich die Wahrheit gestehen soll, so muss ich bekennen, dass ich diese Erfahrungssätze durchaus nicht als richtig unterschreiben, sondern nur behaupten kann: 1. dass das Wasser warm getrunken die Verdauung nicht schwäche, und keine Blähungen erzeuge 2. grösstentheils binnen wenigen Stunden durch den Urin wieder abgehe, und 3. weder vorzugsweise abführe, noch verstopfe. Kalt getrunken ist es durchaus gleich kaltem Brunnenwasser, wie es denn auch wirklich von manchen Honoratioren der Gastein, welche sich vor den Kröpfen fürchten, zum gewöhnlichen Getränk genommen wird. Auch hat der innerliche Gebrauch dieses Wassers seinen ehemaligen Ruf als bewährtes und ausgezeichnetes Heilmittel grösstentheils schon längst verloren, obwohl noch viele Gäste während des Badens 1 - 2 Gläser Badwasser, und zwar gewohnheitshalber, oder, wie es bei gar Vielen der Fall ist, um ja alles mögliche zu thun, trinken. Nie habe ich aber gehört, dass das Wasser von irgend einem Badegast bloss getrunken worden wäre. Daher ist es auch so schwer, die allenfalls möglichen spezifiken Wirkungen dieses Wassers als Getränk erfahrungsgemäss und mit Sicherheit zu bestimmen. Wenn endlich Dr. Kaiser von der verwandten Heilquelle zu Pfäfers in dieser Hinsicht sagt, dass der gesunde Mensch beim Trinken derselben eine besondere Leichtigkeit, zumal im Magen, ein angenehmes Gefühl von Wärme über den ganzen Körper, bisweilen etwas Schwindel und Schweisstreiben im Rücken und vermehrten Appetit bemerkt; dass ferner die Ausscheidung vorzüglich durch die Urinwege und die Haut, seltner durch den Stuhl erfolge, so sehe ich hierin mit Ausnahme der besondern Leichtigkeit nichts weiteres, als die Wirkungen des warmen Brunnenwassers, wenn es getrunken wird; und was die angegebene Leichtigkeit betrifft, so habe ich wahrhaftig selbe vom Gasteinwasser nicht verspürt, obgleich ich es acht Tage lang, ohne gleichzeitig zu baden, getrunken habe. 6. Der biochemisch - galvanische Conflict, den das Wasser theils durch Einathmen der über dem Bade schwebenden, angeblich so besonders guten Luft mit den Athmungsorganen und dem Blute, theils an der Hautoberfläche mit dem Papillarkörper und den Anfängen der Saugadern eingeht, scheint von der Art zu seyn, dass die Wirkung schneller, reiner und kräftiger auf die beiden höhern Systeme, namentlich aber auf das Blut selbst erfolgt, obgleich es weit ausserhalb des Kreises meines Wissens liegt, zu bestimmen, worin dieser Conflict eigentlich bestehe. Auch kann man es nur der, in unserem Wasser, wie es scheint, so reichlichen Electricität zuschreiben, wenn bereits ganz abgestorbene Pflanzen und Blumen ihre vorige Fülle und Frischheit wieder erlangen, da wir ähnliche Wirkungen auch von der gewöhnlichen künstlichen Electricität bemerken. So reift z. B. die Kresse unter Einwirkung der electrischen Atmosphäre unserer Maschinen augenblicklich zur Saat; nach den Versuchen von Ingenhousz erhöht Electricität überhaupt das Pflanzenleben; der Puls isolirter Personen wird im electrischen Bade beschleunigt, die Lebenswärme gesteigert; nach van Marum die Ausdünstung befördert, und nach Achard's Versuchen Hühnereier durch Electricität weit schneller ausgebrütet, als durch künstliche oder natürliche Wärme. Anmerkung 1: Unter den ältern Ärzten sagt der schon angeführte Pictorius von dem Gasteinerbade: "dass es den Frauen das weiss vertreibe, misslingen verhüte, schwanger mache, und des Leibs überflüssige Feuchte verzehre." Guinther bestimmt die Heilkraft also: Potu assumptae (aquae calidae Gastienses, vulgo Castein dictae) colisas per urinam et alvum sanant; menses retentos provecant, nimium fluentas sistunt; a morbis convaleseentes recreant. In balneis Podagricos ex frigidis humoribus juvant, paralyticos, qui nondum ex toto emaciati sunt, reficiunt; leprosis novam eutem procreant; ulcera putrida, rodentiaqne ubi prius mundata fuerint, sanant. - Thurneisser rühmt dieses Bad als Mittel gegen Sehwindel, Schlafsucht, blöde Augen, Gelb- und Lungensucht, Kolik, Podagra, Lethargie etc. und sagt ausdrücklich: "es stärke das Herz und das Hirn, reinige den Magen, mache unkeusch, und gebe viel Sperma." Niederhuber spricht sich dahin aus: dass alle diese bestimmten (fixen) Bestandteile, weder für sich einzeln, noch in ihrem Zusammenhange hinlänglich wären, jene schnellen thätigen Wirkungen in den thierischen Körpern, und selbst in dem Pflanzenreiche zu erregen und hervorzubringen, welche uns die stete Beobachtung, und die von langen Zeiten her geprüften Erfahrungen beweisen. Dieses muss uns nothwendiger Weise auf den Gedanken verleiten, dass in diesem heilsamen Wasser ein feines unsichtbares Wesen enthalten sey, in welchem der erste wahre Grundstoff der Wirkungen liege. Ob wir nun aber dieses feine, unsichtbare, durchdringliche Wesen einen Mineralgeist, ein primum Ens, ein ätherisches Gas, wildes Gas, entwickelte fixe Luft, Schwefelluft oder Luftsäure nennen sollen; von welcher Natur und Namen ein solches Wesen in unserm Bade vorzüglich sey, will und kann ich hier um so weniger bestimmen, als eine solche Bestimmung ohnehin kaum, eine überzeugende Befriedigung geben würde. Wenigstens kann ich aber mit Wahrheit behaupten, dass weder die Salz-Erden, die Eisentheile, noch die Wärme des Wassers die wahre Grundursache der heilenden Wirkungen geben, sondern dass unsere Quelle das Vehikel einer feinen thätigen Materie sey, welche unmittelbar in die Organe des Körpers eindringt, und dadurch der erste Grundstoff der schnellen und ausserordentlichen Erscheinungen wird." Anmerkung 2. Unter die neuesten, aber auch unter die lächerlichsten Hypothesen über das geheime Agens der warmen Quellen, und namentlich solcher, die, wie Gastein an mineralischen Bestandtheilen so auffallend arm, und doch so wirksam sind, gehört jene vom Herrn Kreisphysicus Dr. Hofrichter im medicinischen Conversationsblatt von Hohnbaum und Jahn 1831 ausgesprochene. Im Eingange seines Aufsatzes macht sich der Autor über einen grossen Mann (wahrscheinlich über Hufeland) lustig, weil dieser die Mischung der Mutter Natur als der Kunst nicht erreichbar hinstellt, und daher an geheime, den Bädern innwohnende Kräfte glaubt, dann kommt nach einem langen Vordersatze die inhaltsschwere Anklage: dass man hiebei auf den abgeänderten Druck der Luft, unter welchem der Kranke in den Bädern zu leben im Begriffe steht, und welcher wichtiger, als das Bad und seine Mischung selbst sey, bisher gänzlich vergessen habe. Als Beispiel zur Bekräftigung des Gesagten heisst es nun: Gastein, eine blutarme Najade, kann nur mit Aesculap (die Luft nach Pausanias) im Bunde Heilung bewirken, die ihr ganz unmöglich fallen würde. 1785 (soll heissen 1795) Fuss über der Meeresfläche hat sie sich ihren Tempel erbaut. Muss nicht in dieser Höhe die Atmosphäre auf den Körper eines Heilung Suchenden, dessen Wohnort nur 435 Fuss hoch liegt, um 3060 Pfund weniger drücken, als früher? Ist dieses nichts? Gar nichts? Oder ist es ein ganz gleichgültiger Umstand? Haben die mechanischen Kräfte der Natur ihre Macht auf den menschlichen Organismus verloren? Wie kommen wir zu dieser Annahme? wodurch wollen wir sie rechtfertigen? Oder müssen wir nicht vielmehr diesen verminderten Druck auf den früher schwer belasteten Körper als eine mächtige, ihn auf allen Puncten treffende Ventose betrachten, und von ihm alle jene Wirkungen erwarten, die diese zu leisten im Stande ist? Ich glaube, ja! - An sich also bringt, und muss dieser Umstand mächtige Veränderungen in dem Organismus hervorbringen; wird nun noch dabei gebadet, und dadurch Stundenlang bei 2 Fuss Wasserstand in der Wanne der Druck um 2100 Pfand, bei der Tiefe von 3 Fuss um 3150 Pfund gesteigert; wird dieser Wechseldruck Wochenlang täglich 1 - 2 mal wiederholt, ist es ein Wunder, wenn dann die stärksten Stockungen im Unterteibe gelöst, die Haut gangbar, und sie und die Eingeweide zu neuem Leben angeregt werden? Eine Wirkung, die man mit Unrecht der unschmackhaften Quelle von Gastein, oder wohl gar einem ihr inwohnenden geistigen Prinzipe zuschreiben, und die doch der Kranke an seinem Wohnorte vergebens von seinen Hausbädern erwarten würde. Was von Gastein gesagt worden, gilt auch von der reinen, intacten Najade von Pfäfers und von allen Bädern mehr oder weniger, ohne Rücksicht auf ihren chemischen Gehalt." So weit die Worte des Herrn Kreisphysikus. Was soll man nun von dieser plausibeln Ansicht halten? Nach meiner Meinung wenig oder gar nichts. Denn der Autor hat ziemlich vergessen, dass wir von der Höhe unsers Wohnorts (485 Fuss) nicht unmittelbar, gleichsam wie im Luftballon, oder als wenn wir einen Berg hinankletterten, zu der Höhe von Gastein aufsteigen, sondern dass dieses während unserer Reise dahin nur allmählig, ja sogar mit sonderbaren Abwechslungen geschieht. Auf dar andern Seite scheint er unsern Organismus als in statu quo verharrend, und nicht mit jener so bewunderungswürdigen Veränderlichkeit der Receptivität und Sportaneität oder Reactionskraft begabt anzusehen, wodurch dieser in den Stand gesetzt wird, die auffallendsten Veränderungen der Temperatur, des atmosphärischen Druckes und aller andern äussern Einflüsse, sobald sie nur nicht zu jäh, uud nicht in gar zu hohem Grade einwirken, ohne besondere Beeinträchtigung, und somit auch ohne auffallende Rückwirkung zu ertragen, oder mit andern Worten, sie gleichsam zu neutralisiren. Um jedoch unserm Herrn Autor auch practischerseits etwas mehr Respect für die blutarme Najade von Gastein, welche wir nun einmal unter unsern besondern Schutz genommen haben, einzuflösen, so rathen wir ihm, wenn er einmal das Unglück haben sollte, von der Gicht, einer Lähmung, Eingeweideerhärtung u. dgl. Übeln befallen zn werden, sich entweder unter die Luftpumpe zu setzen, oder statt nach Gastein und Pfäfers, lieber gleich nach Heiligenblut am Grossglockner (4000 Fuss Höhe) oder gar zu den Mönchen vom St. Bernhardsberge (7000 Fuss Höhe) zu fahren, dort täglich einige Stunden bei 3 Fuss Wassertiefe, also bis ans Kinn eingetaucht, warm zu baden, und wenn dann nach Verlauf von 3 - 4 Wochen seine Stockungen gelöst, seine Haut gangbar, seine Glieder gelenkig, und seine Eingeweide zu neuem Leben angeregt worden, wie zu Gastein und Pfäfers wirklich geschieht, dann wollen wir ihn fussfällig um Verzeihung bitten, und auf seinen Satz schwören !! Anmerkung 3. Es war von jeher eine der wichtigsten Fragen: auf welche Art und durch welche Kräfte die ganz eigenthümlichen, und oft so wunderbaren Wirkungen der Mineralquellen genügend zu erklaren sey? Und diese, wirklich sehr schwere Frage ist bis zur Stunde noch immer nicht gehörig gelöst worden. Die Mehrzahl der Ärzte war fast immer, besonders aber seit den letzten 40 Jahren, wo die Chemie so ungeheure Fortschritte gemacht hat, geneigt, die Kraft der Heilquellen vorzüglich den in ihnen enthaltenen, theils fixen, theils flüchtigen darstellbaren Bestandteilen zuzuschreiben. Aber schon die oberflächlichste Beurtheilung der Sache zeigt unwidersprechlich, dass man damit unmöglich ausreichen könne. Hufeland hat diess (in seiner practischen Übersicht der vorzüglichsten Heilquellen Deutschland S. 6-9) recht treffend auseinandergesetzt, und jeder Naturforscher wird ihm gewiss ganz von Herzen beistimmen, wenn er sagt: "die Chemie ist wohl ein höchst schätzbares Mittel zur naturhistorischen Erkenntniss und Classification der Körper, aber zur Würdigung derselben in Bezug ihres Verhaltens auf das Lebende, und noch weniger zur Gesetzgeberin in den Regionen des Lebens kann und darf sie uns nicht dienen." Eben so einseitig ist der Versuch, auf die chemischen Bestandteile der Mineralquellen gar nicht zu achten, und dagegen die Wirkungen derselben bloss nach electrochemischen Gesetzen zu erklären. Die Mehrzahl der bessern Bad- und Brunnärzte suchen daher das Wesen der Heilquellen durch die Vereinigung ihrer bekannten Mischungsverhältnisse und Wirkungen zu erkennen, und darauf die Eintheilung der erstern zu gründen. Dieser Ansicht ist auch Osann in seinem neuen umfassenden Werke gefolgt. - Allein wir finden auch in diesem Versuch keineswegs das Problem hinsichtlich einer genügenden wissenschaftlichen Eintheilung der Mineralquellen gelöst, obwohl wir ihn, als den besten vor der Hand dankbar aufnehmen müssen. Nach unserer Einsicht ist der lebende Organismus das einzig richtige Reagens auf die Mineralquellen, und der einzig gütige Massstab, mit dem man den zweckmässigen Gebrauch derselben regeln soll. Nur dadurch, dass man ein Mineralwasser, gleich einem Arzeneimittel allseitig, d. i. nach allen seinen naturhistorischen, chemischen und pharmacodynamischen Beziehungen und zwar am gesunden und kranken Korper, mit beständiger Rücksicht auf die bekannten ludividualitätsverhältnisse, namentlich auch auf Klima und Jahrszeit prüft, ist man im Stande, seine specifike Kraft und Wirkung in ihrem ganzen Umfange genau zu bestimmen. Da aber, wie wir diess insbesondere auch bei der Gasteinerquelle gesehen haben, diese Kraft nie, eine einfache, reine, sondern stets eine vielartige, z. B. auflösende, stärkende, besänftigende u. dgl. zugleich ist, so würde sie, zum alleinigen Eintheilungsprincip erhoben, bei der grossen Mannigfaltigkeit der Mineralquellen, uns dennoch wieder nicht ganz befriedigen können. Diess geht jedoch bloss die Systematik und Classification derselben an, hindert aber wie gesagt, nicht das, warum es sich hauptsächlich handelt, nämlich die Beziehung eines einzelnen Mineralwassers zum menschlichen Organismus befriedigend zu ermitteln. Würden die Brunnen- und Badegäste auf solche Art zu Werke gehen, würden sie sorgfältige Protokolle über die wichtigsten ihrer Gäste halten, und in diesen die Hanptwirkung wenigstens skizzirt jeden Tag notiren, und dieses freilich etwas mühsame und langweilige Geschäft wenigstens 10 Jahre lang an einer und derselben Quelle mit Unverdrossenheit, Umsicht und Liebe zur Wahrheit fortsetzen, dann würde die Balneographie bessere Fortschritte machen, als bisher, wo man sein ganzes Streben dahin gerichtet, irgendein neues Salz, oder ein schon bekanntes, in einem andern quantitativen Verhältniss aufzufinden. Was hat uns in therapeutischer Hinsicht die Entdeckung des Strontians und Mangans in den böhmischen Mineralquellen genützt? Sind wir desshalb um etwas klüger in der Behandlung der kranken Badegäste geworden? Ich glaube nein. Die Art und Weise, wie ich meinen vorliegenden Gegenstand behandelte, so wie mein ganzes literarisches Leben sichert mich wohl hinlänglich vor dem Vorwurf: als verachte ich das Studium der Naturwissenschaften, und als legte ich auf chemische Untersuchungen keinen Werth. Es bleibe ein jeder bei dem seinigen: der Physiker und Chemiker bestimme mit aller Sorgfalt und Liebe, die ihm nur immer seine Wissenschaft einflössen kann, die physicalischen und chemischen Eigenschaften der Heilwasser, der Geognost schliesse uns, so viel es möglich ist, das Erdreich und die Felsklüfte auf, welche den Schoss und die Kanäle dieser wunderbaren Quellen enthalten; aber der practische Heilkünstler setzt dem Ganzen erst die Krone dadurch auf, dass er so handelt, wie ich eben gesagt habe. Was ist dagegen erbärmlicher. als das tägliche, gehaltlose Treiben der meisten Badeärzte? Ich habe in der That nirgends rohere Empirie, und grössern Schlendrian gefunden, als bei der Mehrzahl von diesen. Zwar habe ich erst im vergangenen Sommer die Freude gehabt, einen Mann zu treffen, den man als Muster für Brunnen- und Badeärzte aufstellen könnte, und der trotz seines ungeheuren Geschäftes während des ganzen Tags selbst die Stunden der Nacht noch zu Hilfe nahm, um seine Beobachtungen aufzuzeichnen, die er dann nach abgelaufener Badezeit erst ins Reine zu bringen pflegt. Und dennoch hat es nicht an Badegästen gefehlt, welche sich über ihn bei mir beklagten, weil er den Tag darauf vergessen hatte, wie hoch sich die Anzahl ihrer Stuhlgänge und der verordneten Becher bereits belaufe! Der Beruf solcher Ärzte ist, wenn er nur zur Hälfte gehörig erfüllt wird, wirklich kein leichter, und in solchem Falle darf man sie auch um den manchmal wohl bedeutenden Gewinn an Honorar nicht beneiden. Anders dagegen ist es, wenn diese Begünstigung einen Mann trifft, welcher alle seine Kranken nach einem allgemeinen Massstabe behandelt, und dessen ganze Mühe darin besteht, zu sagen: jetzt steigen Sie, und dann fallen Sie wieder mit der Anzahl Becher oder Bäder !! Was die Aufnahme der mineralischen Kräfte solcher Heilquellen in unsern Körper betrifft, so hält man die Hautdecke allgemein für dasjenige Organ, durch welches die Wirkung der Bäder nicht allein vermittelt, sondern sogar unmittelbar erzweckt wird. Die Schriften über Bäder mühen sich zu diesem Behufe ab, die Anzahl der Saugadern, ihr beträchtliches Einsaugungsvermögen, die Verbindung der allgemeinen Decke mit den Schleimhäuten, ihr Verhältniss zu den serösen Häuten und zum Knochensystem, ihre consensuellen und antagonistischen Beziehungen zu andern Organen und Systemen hervorzuheben, ja sie wohl gar mit einem Stück Pergament oder Leder zu vergleichen u. s. w. Allein so wichtig, ja unumgänglieh nothwendig alle diese Behelfe sind, wenn es sich um die Erklärung der Wirkung der Bäder handelt, so kann doch in der blossen Aufsaugung unmöglich die Hauptsache liegen: sonst müsste künstlich erwärmtes, und mit denselben mineralischen Bestandtheilen geschwängertes Wasser dieselben Wirkungen hervorzubringen im Stande seyn, was doch trotz Struve's und anderer Einreden nicht ist. -Nach meiner Meinuag sollte man daher in dieser Hinsicht mehr auf das Verhältniss der Haut zur thierischen und der gewöhnlichen Electricität, so wie vorzüglich auf das Hautnervensystem (wodurch der electrische Conflict ohne Zweifel vermittelt wird), als, wie bisher auf die Saugadern bauen; zumal da man einerseits weiss, dass die Saugadern viele mineraliche Stoffe gar nicht aufnehmen; und anderseits die im Badewasser enthaltenen, sobald sie innerlich genommen werden, nicht mehr dieselbe Wirkung hervorbringen. - Ich glaube daher, dass jede von Natur warme oder heisse Quelle als Bad auf den Organismus ungefähr eine ähnliche Wirkung erzeuge, wie ein schwaches künstliches electrisches Bad; dass in der verschiedenen Beschaffenheit und Stärke der in diesen Thermen gebundenen und durch den Contact mit der atmosphärischen Luft und mit dem menschlichen Körper frei werdenden Electricität die Verschiedenheit und der Grad ihrer specifiken Wirkungen grösstentheils liege, und dass sich bloss aus diesem Umstand erklären lasse, warum z. B. fast alle warmen Schwefelquellen, sie mögen übrigens in der sonstigen Qualität und Quantität der Mischungsbestandtheile noch so verschieden seyn, die nämlichen Krankheiten zu heilen vermögen; ja warum sogar eine grosse Anzahl von Krankheiten in allen warmen Heilquellen ohne Unterschied geheilt werden. Bei den kalten Mineralwässern dagegen hängt die specifische Wirkung schon mehr von der darin enthaltenen Kohlensäure und den andern fixen Bestandteilen ab. Damit will ich jedoch nicht behaupten, dass Quellen, wie Karlsbad, Wisbaden, Marienbad, so wie auch die Salzsolen als Bäder gebraucht, nicht noch nebenher wegen ihres reichen Gehalts an Salzen verschiedener Art anderartige und eigentümliche Wirkungen auf die Haut und durch diese auf den Gesammtorganismus offenbaren. Anmerkung 4: Die bisherige Erörterung geschah, wie jeder Sachverständige leicht einsehen wird, ganz nach den Grundsätzen der rationellen Medicin, welche man seit der Entstehung einer neuen, der homöopathischen Secte zum Unterschied von dieser die allöopathische Medicin zu nennen pflegt. Indem ich den eiteln Kampf der genannten Secte gegen die uralten, durch tausendfältige Erfahrungen geheiligten Principien unserer Wissenschaft schon seit 10 Jahren von Ferne, und in der Nähe verfolgte, war ich natürlich bei den häufigen Gelegenheiten, die man in besuchten Brunnen- und Badeorten hat, sehr neugierig, ob ich daselbst nicht auch einmal einem Homöopathen als Brunnen- oder Badearzt begegnen würde, und im Falle ich so glücklich wäre, zu erfahren, wie sich denn dieser die Wirkung seiner Quelle erklären, und in welcher Form und Gabe er selbe verordnen werde. Allein ich fand weder selbst einen, noch hörte ich auch von Andern, dass irgend ein Brunnen- oder Badearzt dem Panier der Homöopathie gefolgt sey; eben so wenig kam mir auch in den periodischen Schriften ein, solcher Fall vor. Man kann sich hierüber gar nicht wundern; denn, wenn es irgend möglich ist, die Nichtigkeit der homöopathischen Hauptgrundsätze auf die allerüberzeugendste Art einzusehen, so muss diess gerade an Brunnen- und Badeanstalten geschehen. Ich fordere jeden Homöopathen auf, mir die doch tausendfältig bewährte und so auffallende Wirkung z. B. von Carlsbad und Marienbad nach den Grundsätzen seiner Secte zu erklären, oder umgekehrt diese beiden Quellen in homöopathischer Gabe zu verordnen, und damit dann eben dieselben Krankheiten zu heilen, die alljährig daselbst auf allöopathische Art unbezweifelt geheilt werden. - In Bezug auf diese beiden Kurorte habe ich selbst die festeste Überzeugung gewonnen, dass wenn man von den dortigen Quellen nicht alltäglich, und 3-4 Wochen lang in einer Gabe von wenigstens 1 Pfund trinkt, man durchaus nicht im Stande ist, eingewurzelte dort heilbare Krankheiten dauernd zu beseitigen. Was würde aber die Badewelt sagen, wenn plötzlich ein homöopathischer Hanswurst käme, und den Sprudel- oder Kreuzbrunnen tropfenweise verordnete? Und was ist noch für ein ungeheurer Unterschied zwischen einem Tropfen dieser Heilwasser und einem Decilliontel - Streukügelchen, wenn man die darin enthaltene Arzneigabe berechnet! Darum scheuen die Homöopathen solche Kurorte ärger, als Kliniken und Krankenhäuser. Hier ist gar kein Ausweg, hier heisst es entweder für einen Narren gehalten werden, oder sich als geschlagen ergeben. - Wie ist es aber mit dem Wildbad, Pfäfers und Gastein, Bädern, die in 16 Unzen Wasser kaum 4 Gran fixe Bestandteile enthalten, und doch so auffallende Wirkungen hervorbringen? Man lese noch einmal, was → Schweigger-Seidel - in dieser Beziehung schon gesagt hat, man überdenke die Art, wie ich die Wirkungen dieser Quellen zu erklären versuchte, und man erwäge noch, dass die Gabe, in welcher letztere angewandt werden, doch gewiss noch lange nicht homöopathisch sey, so wird man in Bezug auf eine Beantwortung der vorangehenden Frage keineswegs verlegen seyn. Auch habe ich weder gelesen, noch gehört, dass zu Wildbad und zu Pfäfers homöopathisch gebadet werde, und in Gastein spricht man nur im Geheimen von einem homöopathischen Gespenst, welches aber in einem allöopathischen Mantel eingehüllt dahergehe, und nur solche gläubige Badegäste mit Streukügelchen heimsuche, die so unglücklich sind, nebst dem Born der holden Najade auch noch die Apotheke brauchen zu müssen. In den Alpen, und vorzüglich in Gegenden, wo, wie zu Gastein schon seit vielen Jahrhunderten Kobolde und Berggeister spucken, ist man etwas abergläubisch, daher mag an dem Gasteinerbadgespenst wenig oder gar nichts Wahres seyn, das aber kann ich in allem Ernste versichern, dass wenn selbes sich einmahl einfallen liesse, das wunderbare Heilwasser mit gemeinem Wasser nicht einmal homöopathisch, sondern nur allöopathisch diluiren zu wollen, die Gasteiner ihre angeborne Furcht vor Gespenstern überwinden, und selbem bergmännisch zusetzen würden. Originaltext (S. 110-128), ohne Gewähr! |
Weiterführende und verwandte Themen : |
• Doku : Gasteiner Kur-I - Diätetik
• Doku : Gasteiner Kur-II - Krankheit und Heilung • Doku : Gasteiner Kur im 19. Jh. - Diätetik v. Eble 1834 |
Anmerkung: Der Text wurde dem Buch "Die Bäder zu GASTEIN" von Burkart Eble, 1834 - entnommen.
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Gastein im Bild - Dokumentation
Gasteiner Kur im 19. Jh. - Burkhard Eble, 1834
© 2017 Anton Ernst Lafenthaler
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