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D - Gasteinertal/Dokumentation: Geschichte - Protestantenvertreibung/Emigrationspatent 1731
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Emigrationspatent 1731

Sebastian Hinterseer beschreibt in seinem Buch "Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins" ebenso wie Pfarrer Ekkehart Lebouton "Die Lutherischen in Gastein", 1981 - die Protestantenvertreibung im gesamten Land Salzburg und insbesondere im Gasteinertal im 18. Jahrhundert. Viele der Gasteiner mussten ihren Besitz zurücklassen und für immer das Land verlassen.
Ein erstes Emigrationspatent gab es bereits 1588 (EB Wolfgang theoderich von Raitenau, vom 3. Sept. 1588), wodurch viele Familien, vor allem aus der Stadt Salzburg, zur Auswanderung gezwungen wurden. Von diesen drastischen Maßnahmen war damals allerdings das Gasteinertal ausgenommen, da viele Bergknappen betroffen gewesen wären und dies zur Stilllegung von Bergwerksbetrieben geführt hätte.
Bereits Ende Juli 1731 hatte Erzbischof Firmian 200 Mann eigene Soldaten in das Gebirge geschickt und die Pässe und wichtige Orte besetzen lassen. Ende September ging an alle Pfleger der erzbischöfliche Geheimbefehl, in der Nacht von 26. auf den 27. September mit Hilfe des Militärs die Rädelsführer zu verhaften. In Gastein betraf dieser Befehl Josef Wagenbichler Vater und Sohn, Georg Gruber und Matheus Lechner.
Anfang Oktober 1731 erging von der geheimen Religionsdeputation an die Pflegegerichte der Befehl, über Stand, Vermögen, Besitz an Grund und Boden aller in den Regensburger Listen eingetragenen zu berichten.

» Das Emigrationspatent (Kurzfassung) «
Am 31. Oktober 1731 erlies Erzbischof Firmian das Edikt, indem hieß es u.a.:
Alle unangesessenen Lutheraner über 12 Jahren müssen binnen 8 Tagen auswandern; alle angesessenen, je nach Größe und Vermögen, nach 1, 2, oder 3 Monaten das Land verlassen. Diese Frist werde ihnen zum Verkauf ihrer Güter gewährt. Nachher ist ihnen das Betreten des Erzstiftes für alle Zeiten verboten. Jeder Bauer darf bis dahin nur je einen Knecht oder eine Magd evangelischen Glaubens bei sich beschäftigen.
Allen in fürstlichen Diensten stehenden Arbeitern ist ab sofort kein Lohn mehr auszubezahlen und sie sind sofort zu entlassen. Alle Lutheraner verlieren ihre Bürger- und Handwerksrechte. Wer binnen 15 Tage zur katholischen Kirche zurückkehrt, dem soll der Aufenthalt im Lande gewährt werden, falls er unverdächtig erscheint. Allen Emigranten werden von der Obrigkeit Pässe ausgestellt. Beim Abzug ist eine Nachsteuer (10% des Vermögens) zu entrichten. Im Fall einer Weigerung soll die Emigration mit Gewalt durchgeführt werden.

Es handelt sich bei diesem Rechtsdokument um ein sehr umfangreiches Schriftstück. Die äußerst ausführliche Einleitung schildert aus der Sicht der Salzburger Regierung alle Ereignisse, die sich seit dem 9. Juli 1731 bis zur Gefangennahme der Rädelsführer am 27. September 1731 ereignet hatten. Punkt für Punkt wird aufgezählt, was die Salzburger Regierung zur Wiederherstellung der Ruhe unternommen hatte und wie sich die Untertanen dagegen verhalten hätten. Als besonders schwerwiegender Verstoß wurde die Schwarzacher Versammlung betrachtet.

Das Emigrationspatent

31. Oktober 1731
Nach einer weitschweifigen Einleitung folgen unzweideutige Formulierungen: Der Erzbischof plane, "um einen beständigen und dauerhaften Frieden im Erzstift wiederherzustellen und dem Unheil vorzubeugen, die unruhigen, aufrührerischen und sich wiedersetzenden Leute, die das Erzstift die letzte Zeit durch ihre vielfältige Unruhe belästigt hatten, nunmehr gänzlich und von der Wurzel aus zu vertilgen... und auszurotten, damit sie nicht wie bisher den Frieden störten". Daher ergeht "an alle unsere in diesem Erzstift und dazugehörigen Landen befindliche Untertanen, Beisassen und Einwohner, sonderlich an diejenigen, welche sich zur Augsburgischen oder reformierten Konfession geschlagen und dabei öffentlich oder im geheimen zu verhalten sich erklärt haben, unsere landesfürstliche Vermahnung und Gebot" den Untertanen, "wenn sie nicht ihre Religion sein wollen, den Abzug anzubefehlen".
- Im Emigrationspatent folgen auf die Einleitung elf detaillierte Punkte, die den Ablauf der Massenvertreibung in geordnete Bahnen lenken sollten.
(a) - Es wird der Befehl an sämtliche Untertanen erteilt, dass alle, die sich heimlich oder öffentlich zur Lutherischen oder Calvinistischen Kirche bekennen, emigrieren müssen und bei Vermeidung schwerer Strafen an Gut, Leib und Leben für die Zukunft das Erzstift zu meiden haben.
(b) - Alle unangemessenen Lutheraner (Tagelöhner, Dienstmägde, Knechte, ...usw.), die das 11. Lebensjahr vollendet hatten, müssen das Erzstift binnen acht Tagen verlassen.
(c) - Diese Bestimmung betraf auch jene, die im Dienst des Erzstifts standen. Sie hatten mit der Veröffentlichung des Patents auch keinen Lohn mehr zu erwarten.
(d) - Da nach jahrhundertelanger Tradition nur katholische Bürger und Handwerker im Erzstift Aufnahme gefunden hatten, wurden den Evangelischen unter den Handwerkern befohlen, das Land zu verlassen. Sie wurden als Meineidige abgestempelt, da sie angeblich ein falsches Zeugnis ihrer Rechtsgläubigkeit bei der Obrigkeit abgegeben hatten. Als Meineidige waren sie ihrer Bürger-, Meister- und Handwerksrechte verlustig erklärt worden.
(e) - Im fünften Punkt des Emigrationspatents wurde der Abzug der angesessenen Bauern geregelt. Obwohl die Besitzer von unbeweglichen Gütern (Landbesitz etc.) und Häusern das Recht auf freie Emigration verwirkt hätten, wolle der Erzbischof gnadenhalber eine Emigrationsfrist angeben: Diejenigen, die weniger als 150 fl. besäßen, haben das Land innerhalb eines Monats zu verlassen; binnen zwei Monate jene, die mehr als 150 fl. Vermögen besäßen. Drei Monate Abzugsfrist wurde jenen gewährt, die über 500 fl. an Vermögen angeben konnten. Innerhalb dieser Zeiträume sollten sie ihre Güter verkaufen. Ungehorsame würden ausnahmslos aufs schwerste bestraft werden.
(f) - Alle Urheber der Empörung würden eigens bestraft werden. Sie hätten sich der Verbreitung einer niemals tolerierten Ketzerei schuldig gemacht. Nur diejenige, die keine Verbrechen begangen hätten, könnten emigrieren und damit die landesfürstliche Verzeihung erlangen.
(g) - Es wurde niemandem mehr gestattet, von seinem öffentlichen Bekenntnis als Anhänger der lutherischen Lehre zurückzutreten. Die von der Untersuchungskommission erstellten Listen galten als verbindlich.
(h) - Alle diejenigen, die sich zwar nicht öffentlich zum evangelischen Glauben bekannt, durch ihr Verhalten allerdings verdächtig gemacht hätten, sollten genauestens beobachtet werden. Ihre wahre Gesinnung in Glaubensfragen sollte durch Visitationen und Hausdurchsuchungen in Erfahrung gebracht werden.
(i) - Jene, die sich nichts zuschulden kommen lassen hatten, sich aber dennoch als evangelisch bekennen würden, soll ihre Gewissensfreiheit belassen werden. Die Behörden wurden eigens angewiesen, diesen bei der Emigration behilflich zu sein.
(j) - Von den Pflegern wurde im zehnten Punkt des Patents erwartet, diesen Untertanen Zeugnisse über deren Geburt, Eltern, Gewerbe und guten Lebenswandel auszustellen. Beim Überschreiten der Landesgrenze sollten sie von den Behörden Unterstützung erfahren. Eine höhere Nachsteuer dürfte von Ihnen nicht verlangt werden, als sie bei der Auswanderung von Katholiken üblich sei.
(k)- Der letzte Punkt des Patents richtete sich an die Behörden des Erzstiftes, denen die genaueste Befolgung der Verordnung aufgetragen wurde. Im Falle einer Verweigerung, der Emigrationspflicht Folge zu leisten, sei mit Hilfe des bereitstehenden Militärs einzugreifen. Beamte, die sich dieser Anordnung gegenüber als ungehorsam erwiesen, hätten "Schaden, Entsetzung des Dienstes, auch landesfürstliche Ungnade und schwere Strafe" zu gewärtigen.
- Am Schluss des Dokumentes wurde befohlen, dieses Patent an den üblichen Stellen bekanntzugeben, öffentlich zu verlesen und anzuschlagen. Damit sollte verhindert werden, dass sich jemand mit Unwissenheit entschuldigt. Den Abschluss bildete die Floskel - "So geschehen in Unserer Haupt- und Residenz-Stadt Saltzburg am 31. Monats-Tag Octobirs 1731".
- Die Abschrift entstammt dem Buch: "Um des Glaubens willen" - Die Vertreibung der Salzburger von Walter Mauerhofer / Reinhard Sessler 1990 CLV (Abschrift ohne Gewähr !

In den Gebirgsgegenden wirkte das Emigrationspatent geradezu niederschmetternd.
Man konnte die einzelnen Punkte die unvereinbar waren mit dem Westfälischen Frieden gar nicht glauben.
Doch kaum war die Frist von 14 Tagen verstrichen, wurden die Betroffenen genötigt, das Land zu verlassen,
ohne noch Zeit zu haben, Kleidung und Verpflegung mitzunehmen.

» Die freie Emigration nach dem Westfälischen Frieden «
Die Bestimmungen liefen in verschiedenen Punkten den bestehenden Reichsgesetzen zuwider. Nach den Beschlüssen des Westfälischen Friedens hatte der Landesfürst die Religion seiner Untertanen zu bestimmen. Er war aber verpflichtet, den andersgläubigen Untertanen die freie Emigration zu gewähren. Zur Ordnung ihrer Vermögensangelegenheiten war ihnen eine dreijährige Frist (Triennium) bis zu ihrer Auswanderung zugestanden. Außerdem durften sie das verlassene Land beliebig oft zu kurzfristigen Aufenthalten betreten. Alle diese Bestimmungen glaubte Firmian umgehen zu können mit der Begründung, die Salzburger hätten wegen ihres aufwieglerischen Verhaltens kein Recht auf sie.
Welch unlautere Mittel sich die erzbischöfliche Regierung bediente, ist die Tatsache, dass der salzburgische Gesandte Zillerberg den evangelischen Reichsständen ein gefälschtes Duplikat des Emigrationspatentes mit weit milderen Bestimmungen vorlegte. Die Unterschiebung kam jedoch ans Tageslicht. Die echte mitleidslose Fassung des Emigrationspatentes wurde vom Corpus Evangelicorum sowie von auswärtigen protestantischen Mächten, wie Preußen, Holland und Dänemark, als ein glatter Rechtsbruch des Westfälischen Friedens gebrandmarkt. Die Repressalienandrohungen gegen die in ihren Ländern geduldeten Katholiken nahmen daraufhin weit schärfere Formen an.

» Firmians Sarkophag in der Krypta des Salzburger Domes «
An Firmians Sarkophag in der Krypta des Salzburger Domes steht die Inschrift :
Leopoldus Antonius Eleutherius Archiepiscopus Sacrae sedis apostolicae Legatus, natio Germanis Primas, Expellens Haereticos, Fortissimus vindex.
(L. E. Erzbischof des Hl. Apostolischen Stuhles Gesandter, Primas der germanischen Nation, Vertreiber der Ketzer, mutigster Entscheider)

Weiterführende und verwandte Themen :
• Dokumentation : Gastein zur Zeit der Reformation -
• Dokumentation : Gegenreformation -
• Dokumentation : Glaubensbekenntnis - der Lutheraner
• Dokumentation : Protestantenverfolgung - 16. / 17. Jh.

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Anmerkung: Die Informationen wurden auszugsweise dem Buch
"Bad Hofgastein und die Geschichte Gasteins" - von Sebastian Hinterseer, 1977 -
dem Buch "Die Lutherischen in Gastein" von Ekkehart Lebouton, 1981 - und dem Buch
"Um des Glaubens willen" von Walter Mauerhofer / Reinhard Sessler, 1990 - entnommen.
Die Textauszüge wurden hier teilweise unverändert wiedergegeben.
Der Abschnitt "Das Emigrationspatent" entspricht dem Original des genannten Buches.
Abschrift und Beschreibung ohne Gewähr.

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© 2007 Anton Ernst Lafenthaler
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