Stichwortverzeichnis Home Inhaltsverzeichnis Dokumentation, Gasteinertal
D - Gasteinertal/Dokumentation: Bewohner Gasteins - Albert von Muchar, besuchte 1828 Gastein
Gasteinertal, Geschichte Geschichte Gasteins
Themen-Wahl
Inhalt

Dokumentation . Gasteinertal

» Bewohner Gasteins «

Dr. Albert von Muchar, 1830

Dr. Albert von Muchar beschreibt die heutigen Bewohner des Gasteinerthales, ihre Lebensweise, Sitten und Gebräuche als die "Abkömmlinge der frühesten Bewohner des Tauerngebiethes, der uralten celtisch-norischen Taurisker". Feldbau, Alpenwirthschaft und Viehzucht beschäftigen einen großen Theil der Bewohner des Gasteinerthales, wenige auch das bürgerliche Gewerbe, ehedem bei blühendem Bergbaue . . .
Die Wohnungen sind größtentheils ganz aus Holz, und wenige der wohlhabenderen Landwirthe im Erdgeschosse aus Steinen aufgeführt und im Gegensatz zur Behauptung von Koch-Sternfeld (1820) sei im Feldbau im Tal durchaus die Ehgartenwirthschaft üblich. Eine besondere Bedeutung kommt der Nationaltracht in Gastein zu, deren Beschreibung nachfolgend ausführlichst gefolgt werden kann. Nachfolgend einige teilweise gekürzte Auszüge aus dem Buch von Dr. Albert von Muchar "Das Thal und Warmbad Gastein", 1834.

Die Bewohner des Gasteinertales um 1830

Muchar (1834) beschreibt die uralten celtisch-norischen Taurisker als früheste Bewohner des Gasteinertales.
In späteren Jahrhunderten kommen Ansiedler karantanischen Geblütes und rhätischer Abkunft aus Tyrol hinzu.

Textauszug von Dr. Albert von Muchar, "Das Thal und Warmbad Gastein", 1834 aus dem Kapitel:
Bewohner Gasteins p. 127 - 128
Die "heutigen" Bewohner des Gasteinerthales ...
. . . sind größtentheils noch Abkömmlinge der frühesten Bewohner des Tauerngebiethes, der uralten celtisch-norischen Taurisker. Die gewaltigen, einflußreichen Ereignisse in den späteren Jahrhunderten haben jedoch nicht nur viele Familien der Ureinwohner aus diesem friedlichen Thale, und von ihren väterlichen Ansitzen wegzuwandern gezwungen; sondern auch neue Ansiedler karantanischen Geblütes und rhätischer Abkunft aus Tyrol hierher gebracht.
Die Gasteiner sind im Durchschnitte von mittlerer Statur, schlanken, mageren Körperbaue, von blasser, bräunlicher, selten blühender Gesichtsfarbe, - dennoch aber von dauernder Gesundheit und Kraft. Das weibliche Geschlecht dagegen ist von größerem Schlage und fleischichter als die Männer, und oft bis zum Verwundern milchweiß und rosicht gefärbt. Gegen die früheren Zeiten haben zwar Bevölkerung und Ehen wegen den sehr verminderten Wohlstand, wegen zu hohen Ankaufspreis der Besitzungen, und der Vermehrung der sogenannten Zulehen sehr abgenommen. Demungeachtet werden Ehen, wo es die Verhältnisse nur immer gestatten oder fordern, wie bei wirklichen Rücksassen, zahlreich geschlossen, und sie sind gewöhnlich mit Kindern sehr gesegnet. Die Kinder, männlichen sowohl als weiblichen Geschlechtes, sind bis zu 10 und 12 Jahren sehr gesund, munter, unerschrocken, selbst gegen Fremde sehr zutraulich, größtentheils wohlgestaltet, und von so einnehmenden Gesichtszügen, daß sie eine schöne, erwachsene Generation versprechen. Leider aber kömmt diese doch nicht entprechend zum Vorschein; weil schlechte Nahrung und die anstrengenden Arbeiten der Feld- und Alpenwirthschaft auf diesen kalten Bergen und steilen Kahren die Entwicklung und Ausbildung der ersten besseren Anlagen und Kräfte theils ganz hindern, theils verzehren. Demungeachtet findet man in diesem Thale nur wenige Cretinen, oder in der hiesigen Volkssprache Feren oder Lappen. Kinder außer der Ehe sind, bei so vielen unverheiratheten Dienstleuten, Knappen, und bei zahlreichen Fremden, die alljährig dieß Thal besuchen, gar nicht ungewöhlich. Männer sowohl als Weiber erreichen ein ziemlich hohes Alter; und es ist eben nichts seltenes, Männer von 70 bis 85 Jahren mit regen Sinnen und noch ziemlich rüstigen Körpern hier zu erblicken, welche die hohen Kahre, die steilen Bergmähder, und die höchsten Kuppen der Thalsberge selbst ohne Steigeisen, mit Leichtigkeit und mit größerer Gewandtheit, als ein sonst nicht ungeübter Bergsteiger aus dem Flachlande und aus Städten, hinanklimmen. Entzündungen, Lungensuchten, Wechselfieber, Wassersuchten und Kachexien sind die bekanntesten endemischen Krankheiten. Syphillitische Erscheinungen sind wohl durch fremde Wanderer in dieß verborgene Hochthal heraufgebracht worden.

Feldbau . Alpenwirthschaft . Viehzucht

. . . sind die wichtigsten Einnahmequellen der Gasteiner. Was zum Leben gebraucht wird, wird selbst hergestellt.
Das Essen besteht aus Milch, Käse, Schotten, Mehlspeisen, Schmalz, Sauerkraut, Suppe, Milchkoch, Muß, Wassernudeln und schwarzes Brot.
Die Behausungen sind aus Holz mit flachen Dächern und einem Glocktürmchen zum Essenläuten.
Mehr oder weniger viele Dienstboten arbeiten am Bauernhof und wenn die Ernte auf Feld und Alpe vorüber ist,
feiert dies jeder Hauswirth mit seiner Familie und allem Dinstgesinde mit einem Dankfeste.

Textauszug von Dr. Albert von Muchar, "Das Thal und Warmbad Gastein", 1834 aus dem Kapitel:
Lebensweise, Sitten und Gebräuche p. 128 - 133
Lebensweise der Gasteiner
Feldbau und Alpenwirthschaft, und der damit innigst verbundene Hauptzweig der Viehzucht beschäftigen einen großen Theil der Bewohner des Gasteinerthales, verschaffen ihnen den nöthigsten und gewöhnlichsten Lebensunterhalt, und einigen wenigen jedoch nur die glücklichen Verhältnisse eines großen Wohlstandes und des Ueberflusses. Der geringste Theil der Thalsbewohner treibt zu Dorf, Hofgastein und im Wildbade bürgerliche Gewerbe, welche ehedem bei blühendem Bergbaue und lebhaften Handel von XIV. bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts sehr blühend gewesen, nun aber entweder ganz eingegangen, oder verarmt sind. Die meisten, und für die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse nothwendigen Handwerker befinden sich im Markte Hof. Das Wildbad und die uralten, immer noch betriebenen Bergwerke am Rathhausberge unterhalten und beleben auch einigen Verkehr mit Fremden, und beschäftigen theils durch Handel, durch Fuhrwerke, und durch Fabriksarbeiten in des Berges Eingeweiden und an den Stätten der Poch- und Schlemmwerke auf dem Rathhausberge und in Böckstein, einige hunder Menschen.
Aeußerst einförmig ist das Leben dieser Bergknappen, und ganz verschieden von den frohen, freudenvollen Tagen des XV. und XVI. Jahrhunderts, welche sich mit dem Reichthume der alten Gewerken, mit diesen selbst, und mit dem Bergsegen verloren haben. Diese Knappen bringen nun den größten Theil der Woche auf und in dem Rathhausberge zu; und bebauen, wenn sie an den Feierabenden zu ihren Familien herabsteigen, den kleinen Grund, welcher gewöhnlich ihre Hütte umschließt. Es gibt Greise unter ihnen, welche das Thal, worin sie beboren worden sind, in ihrem ganzen Leben nie verlassen haben.
Was Viehzucht und Feldbau geben, ist daher der Gasteiner gewöhnliche Nahrung und Bekleidung. Der Ziegen Haare und der Schafe Wolle wird von den Hausmüttern und dem Gesinde in den Familien selbst in den langen Winterabenden an des Herdes traulicher Flamme gesponnen und zur Kleidung verarbeitet. Nur durch die Verhältnisse des Bergbaues und des Handels werden auswärtig verarbeitete Stoffe und Erzeugnisse des Luxus hierher gebracht und getragen. Kräftiges und öhlichtes Bier ist das allergewöhnlichste Getränk; Wein das seltenere; ja es gibt hier im Thale wohl ein halbes Hundert von Familien, in welchen noch Niemand in einem Lebenslaufe von 40 und mehr Jahren jemahls Wein verkostet hat. Branntwein wird dagegen gewöhnlicher genossen; und die Landleute des Thales verstehen sich allgemein darauf, aus den verschiedenen, auf ihren Bergen wild wachsenden schmackhaften Beeren Branntwein zu bereiten.
Zum gewöhnlichen, als auch insbesondere zum Heilungsgebrauche dienet der im ganzen Tauerngebiethe hochberühmte Enzianbranntwein. Denen, die dieß Alles für gewöhnlich nicht haben (und deren sind in diesem Thale die Meisten), löschet die kühle Fluth des aus den Brüsten der Gneiß- und Granitberge hervorsprudelnden Krystallquells, oder die süße Milch der fetten Alpenkühe den durch schwere Feldarbeit heißeren Durst.
Der Landbewohner ißt des Tages fünfmahl, im Durchschnitte genommen, aber höchst mittelmäßig und schlecht. Man muß nur mit eigenen Augen die Kost des Dienstgesindes, selbst in wohlhabenden Häusern, und die Nahrung des dürftigeren Landmannes öfters gesehen haben . Süße und saure Milch, Käse, Schotten, Mehlspeisen aus groben Mehlsorten und Schmalz, Sauerkraut, Suppe, Milchkoch, Muß, Wassernudeln und schwarzes Brot sind die gewöhnlich gekochten und ungekochten Nahrungsstoffe; - Fleisch gehört zu den sehr seltenen Gerüchten, und dann bestehet es größtentheils aus Schaf-, Ziegen-, Kastraun (Anm.: Hammel) und Bockfleisch, insonderheit im Herbste und im Winter. Vier Fünftheile der Thalsbewohner gehören zur unbemittelteren und ärmeren Classe; die Uebrigen, zerstreut in allen Gegenden des Thales, sind wohlhabende, an Viehherden und liegenden, oft eine Ausdehnung von mehreren Stunden, und mehrere zum Hauptgehöfde gehörige Zulehen oder Huben umfassenden Gründen, Alpen, Bergmähdern und Kahren, reiche Landwirthe, wie der Straubinger im Wildbade, der Bräuer in Hofgastein, der Zietrauer auf dem Boden, der Zietrauer auf dem Ardacker, der Stubner auf dem Boden, der Patschger in Hinterbaden, mehrere Bauern in Mayerhofen, Unterberg und Dorf.
Die Wohnungen sind größtentheils ganz aus Holz, und wenige der wohlhabenderen Landwirthe im Erdgeschosse aus Steinen aufgeführt. Die Häuser der reichen Landwirthe sind gewöhnlich ein und zwei Stockwerke hoch; einer, auch zwei Söller umgeben die Hauptseite des Hauses; oben auf am Dachfirste erhebt sich ein kleines Thürmchen mit einer Glocke, womit die Hausmutter dem auf den Feldern und Wiesen entfernt arbeitenden Gesinde das Zeichen zum Mittagsessen, oder zum Jausenbrote gibt. Mahlerisch ist manch größeres Bauerngehöfde in Mitte seiner Stallungen und Scheuern (Anm.: Stadeln), mit schön ausgeschnitzen Verzierungen oben am Giebel des überall unter demselben Winkel vom Firste sich herabneigenden Daches, am Thürmchen und an den Söllerplanken, - auf den saftgrünen Matten gelegen. Die sehr flachen Dächer aus breiten Schindeln sind mit langen Balken, und diese mit großen Steinen belegt, wider das Spiel der stürmenden Winde, - und um die große Schneemasse leichter zu halten und zu tragen, die bei ihrem jähen Absturze auch das Dach mitreißen würde. Mit wenigen Ausnahmen werden die Wohnungen der Landleute von Innen und Außen immerfort reinlich gehalten.
Ein Bauer von mittelmäßigem Besitzthume hat gewöhnlich fünf bis sechs Dienstbothen, ein reicher Landwirth aber 14 bis 16 und auch noch Mehrere; und die Arbeiten der Feld- und Alpenwirthschaft beschäftigen folgende Individuen: den Melker (oder die Melkerin, Sennerin, Senndinn), den Schosser (die Schosserinn), welche die Alpengeschirre reinigen, den Dechsner, Kühbuben, Geißer (oder Geißler, welcher die Herden der Ziegen und Böcke unter sich hat), den Schafler (Schafhirten), den Bauknecht, Werfer, Stadler, Sommermahder, Zimmerer, Schopper, Pirscher, Laufer, Ueberling, Roßknecht, Schinnagl, die Baudirne, Garberinn, Melkerinn, Kindsdirne, Köchinn, Pirschinn, Ober- und Unterdirne, Gschoßdirne und die Schinaglinn. -
Kaum verkündiget das Knallen der großen Hirtenpeitschen, von kräftigen Burschen geschwungen, im hundertfältigen Wiederhalle von Berg zu Berg das Schmelzen des Schnees, des Frühlings Ankunft mit Flora und Ceres; so wird das Vieh in den Ställen unruhig, und Senner und Sennerinn rüsten sich zur lustigen Fahrt in die unteren oder in die Voralpen. Die Vegetation folgt und wandert in reißenden Fortschritten, als wollte die Natur die in so langem Winter verlorne Zeit gleichsam wieder ersetzen, und alle Arbeiten des Gasteinerlandwirthes auf Feld, Wiese, Bergmatte und Alpe drängen gleichsam eine die andere vor sich her, und alle Hände haben vollauf zu thun.
Im Feldbaue ist hier zu Thale durchaus die sogenannte Ehgartwirthschaft eingeführt. Jedes Feldstück bleibt in der Regel drei Jahre als Ehgart zum Heuwuchse liegen; worauf es dann fünf Jahre hintereinander, ein oder zwei Jahre mit Weitzen, drei oder vier Jahre mit Korn, selten aber mit Hafer bebauet wird. Die natürlichen Wiesen sind hier ausgezeichnet gut. Sie liefern jedoch nur saures Heu zum Pferdefutter reichhaltig; und sie würden, da äußerst wenige Aeckergründe für den Feldbau und die Erhaltung des süßen Heu's übrig bleiben, das Verhältniß zum trockenen Winterfutter für so großen Viehstand sehr beirren, wenn nicht dasselbe durch das vortrefflichste süße Heu, welches auf den Bergmähdern und Kahrwiesen, freilich wohl oft mit unglaublicher Anstrengung, und unter großen Gefahren des Abstürzens, gewonnen, und über die steilsten Schneeplaicken zur Winterszeit herzugebracht werden muß, gesichert und befestiget würde. In guten Jahren versieht sich das Gasteinerthal durch eigene Erzeugnisse mit dem nöthigen Korn, selten mit Weitzen. Der nöthige Hafer muß größtentheils aus der Ferne hergebracht werden. Eben so gering, und bei weiten weder die Wichtigkeit dieser edlen Frucht, noch der gewissen Aussicht auf ergiebige Ernten und die besonders wohlthätige Anwendung derselben im Hochlande der Alpen, - ist der Anbau der Kartoffeln im Gasteinerthale. Auf den Gasteinergebirgen, von welchen ein großer Theil bis über alle Höhen und Jöcher mit grünen Matten bdeckt ist, befinden sich die vortrefflichsten Alpen, ausgezeichnet durch ihre herrliche Lage sowohl, als durch die Ueppigkeit des Graswuchses und der nährensten Weiden. Diese von der Fülle aromatischer Kräuter duftenden Bergkahre, Vor- und Hochalpen sind der eigentliche Reichthum des Thales und die Hauptgrundlage einer lohnenden Viehzucht und Alpenwirthschaft der wohlhabenderen Gasteiner Landwirthe. Der Auftrieb auf die niedern oder Voralpen geschieht gewöhnlich im Juni; jener auf die Hochalpen hat selten vor der Hälfte Juli oder vor Jacobi Statt, und man verweilt mit den Viehherden daselbst bis zur Hälfte Septembers oder bis Michaeli. Die Wirthschaftsgebäude auf den Gasteiner Voralpen sind gewöhnlich ganz aus Holz aufgebaut; und viel größer, als jene auf den steyermärkischen Alpen; auf den höheren Alpen sind sie bloß aus zusammengeschichteten Steinen, und mit einem fast flachen Dache sehr niedrig gestaltete Hütten. Sie bestehen aus dem Kaser, oder der eigentlichen Sennhütte, und aus einem Trete, oder aus mehreren Treten, d. i. Ställen. Nicht selten, und in den Alpen minder wohlhabender Besitzer besonders, sind Sennhütte und der Tret unter einem Dache; auf den Alpen großer Landwirthe aber von einander getrennt. Der Tret dienet dazu, um das Vieh während der Mahlzeit einzustellen, oder demselben zur Nachtzeit und bei anhaltend nasser Witterung trockenen Unterstand zu verschaffen. Jede Sennhütte selbst hat zwei Abtheilungen: die erste, in welcher der Feuerherd, die großen Kessel, das Butterrührfaß und die vorräthigen Milchgefäße sich befinden, wo sie gereiniget werden, wo Schotten gesotten, Butter geschlagen und gekäset wird. Die zweite oder der Milchkeller, wo die mit Milch gefüllten Gefäße übereinander gesetzt stehen, die bereits geschlagene Butter und die Käse aufgestellt sind. Auf manchen Alpen werden alle Arbeiten bloß durch männliche Dienstbothen: den Melker, Schosser, Kühbuben, Geißler und Schafler, auf anderen aber durch gemischte Individuen: Sennerinn, Schosserinn, Kühbuben, Geißler und Schafter bestellt. Die Erzeugnisse bei diesen Geschäften und das Erträgniß der Alpenwirthschaft sind dann: trockene Käse, oder die sogenannten Reiberkäse, saure und süße Käse, Käse aus reiner Schaf- oder Ziegenmilch, Schotten, Butter und Schmalz. Auf den sämmtlichen Gasteineralpen werden jährlich gegen 4000 Kühe (davon im großen Naßfelde allein 500), gegen 1200 Jungrinder, gegen 4000 Schafe (größtentheils im Naßfelde und im Anlaufthale), gegen 1000 Geiße aufgetrieben. Auf eine gute Melkkuh rechnet man 30 Pfund Schmalz und 100 Pfunde süßen oder sauern Käs jährlichen Gewinst; so, daß in Gastein alle Jahre bei 1200 Centner Schmalz, und bei 4000 Centner süße und saure Käse erzielet werden.
Wenn die Ernte auf Feld und Alpe vorüber ist, feiert jeder Hauswirth mit seiner Familie und allem Dinstgesinde mit einem Dankfeste das Ende der mühevollen Arbeit und besserem Mittagessen, mit einem Trunke selbst erzeugten Branntweins, und mit besserem Brote, Strüzeln, Wecken, welche gewöhnlich in schön gerundeten und mit Eindrücken verzierten Formen jede Hausmutter selbst bäckt.

Kleidung . Tracht

Die Gasteiner kleiden sich überwiegend von den eigenen Erzeugnissen ihrer Landwirtschaft und halten viel von ihrer Nationaltracht.
Die Reicheren und Wohlhabenderen bekunden dabei ihre Vormachtstellung durch noch prächtigere und noch kostspieligere Kleidung und Schmuck.

Textauszug von Dr. Albert von Muchar, "Das Thal und Warmbad Gastein", 1834 aus dem Kapitel:
Lebensweise, Sitten und Gebräuche p. 133 - 134
Nationaltracht
Das Männer- und Weiberlandvolk im Gasteinerthal kleidet sich gewöhnlich und größtentheils von den eigenen Erzeugnissen ihrer Landwirthschaft nach Zuschnitt und Eigenheiten, welche die Erhaltung alter einheimischer Sitten beurkunden. Bei vielem noch ganz Nationalen haben sich jedoch die Reicheren und Wohlhabenderen schon den Ausschweifungen der Mode und des Luxus ergeben.
Der der Nationaltracht noch treu gebliebene Gasteiner trägt Schuhe, weiße oder blaue Strümpfe aus Schafwolle, schwarzlederne oder braunlodene kürzere Beinkleider, welche die Knie nackend lassen, eine tücherne Weste mit einer langen Reihe Knöpfe oder Hafteln; den Hals bloß oder mit einem schwarzen Creponflore, oder mit einem anderen gefärbten Leinen- oder Baumwollentuch umwunden; eine Jacke aus braunem Loden oder einen längeren, jackenförmigen braunen oder dunkelgefärbten Rock, ebenfalls zu beiden Seiten mit vielen Hafteln besetzt und unter demselben noch insbesondere eine Jacke; die Haarlocken über die Ohren und rückwärts hinabrollend, und einen hohen Spitzhut, mit Sammtband und Metallschnalle, oder mit einer Woll-, Seiden- oder Goldschnur umgeben. Mit den seltenen Blümchen der höchsten Alpen schmückt der Gasteiner seinen Hut gerne, so wie der rüstige, streitlustige Bursche mit Federn. An dem grünseidenen, mit Goldstreifen durchwebten oder schon blutfarbigen Hosentrager, an der Seidenweste aus Damast, oder aus feinerem Tuche mit großen Silberknöpfen, an dem längeren, tüchernen, dunkelgrünen (seltener röthlichbraunen) Rock, der schon vom älteren Zuschnitte abweicht, an den perlgrauen Baumwollen- oder Seidenstrümpfen, an der mit Arabesken niedlich ausgenähten, mit einer breiten Silberschnalle geschnürten schwarzledernen Binde um die Lenden, an der starken Silberkette, welche aus dem Uhrtäschchen in den Sack des Beinkleides herübergezogen erscheinet, - zeigt sich der bemitteltere Landwirth, oder ein wohlhabender Mann aus dem Wildbade, aus Dorf- oder Hofgastein.
Die Gasteinerinn von altem Schrott und Korn trägt Schuhe, weiße oder blaulichte Wollenstrümpfe, einen Kittel kürzeren Zuschnitts aus schwarzem oder dunkelbraunem Rasse, mit vielen Falten, woran zugleich ein anders gefärbtes Mieder oder Leibel aus Raß oder Tuch genähet ist, ein blaues oder dunkelgefärbtes größeres Vortuch aus Leinen, ein farbichtes Halstuch aus Leinen oder Baumwolle, seltener aus Seide, einem Brustfleck aus Tuch oder Seidenzeug mit schmaler Borde eingefaßt und einen hohen Spitzhut aus Filz, oder aus schwarzem Stroh geflochten, mit beiderseits herabhängenden Bändern, und ein Ueberröckl, eine Oberjacke (Corsette) mit rundherum breiten abhängenden Enden, mit aufgestülpten Hinterfalten, oder Schesseln, aus Loden, Raß, Tuch, immer von dunkler Farbe, jedoch mit hellgefärbtem Unterfutter versehen. Der Spitzhut, zwei lange Haarzöpfe, die Haarnadel, das Halstuch und der Brustfleck sind die nationalen Eigenthümlichkeiten und das Stolzkleid der Gasteinerinnen. Die strotzenden zwei Haarzöpfe, mit einem farbigen Bande niedlich durchflochten, werden schwellend um eine metallene Haarnadel, welche am breiteren Ende oder am platten Kopfe mit einem funkelnden Steine geziert ist, am Hinterscheitel geschlungen, über welche der Kamm und darüber noch der schwarze oder weiße Spitzhut stolz emporstehet. Vom Hute hängt eine niedliche Schnur, und unter demselben wallen schönfärbige Bänder zu beiden Seiten herab, und das buntgefärbte Futter der schmalen Hutkrämpe umstrahlt wie ein Farbenrad das oder der Stirne gleichgetheilte wallende Haar, die schwellenden Zöpfe und das naturfrische Angesicht der rosichten Dirnen. Ein nett zugeschnittenes aus buntem Stoffe von hohen Farben, öfters mit einer Borde oben umsäumtes Brustleibchen bedeckt, weich angeschmiegt, ganz den schwellenden Busen, über welchen vom Halse herab ein buntfärbiges, in der Mitte des Busens durch einen Ring kreuzweis geschlungenes Seidentuch sich zierlich faltet, dessen beide Enden sich hinter dem Brustleibchen unter den Armen verlieren. Stattlich und in einer edeln, naturfreien Haltung erscheint die Gasteinerinn, mit allen ihren Nachbarinnen im Pinz- und Pongaue, in dieser nationalen Kleidung vom stolzen Hute bis zum feinen Fuße. Schaut man ein Gasteinermädchen also national geschmückt am Haupte und Busen, mit über der Stirne gleich getheilten, das rosichte Anlitz einsäumenden Haaren, mit schwellenden Zöpfen und strahlender Haarnadel, mit schneeweißem, mit einfacher Granatenschnur geschmückten Halse; so glaubt man das liebliche Gebilde einer deutschen Maid von Albrecht Dürers oder Kranachs Pinsel vor sich zu erblicken. Nicht ganz noch vertilgt, jedoch öfters verzerrt, öfters aber auch veredelt, erscheint dieser nationale Zuschnitt an Bürgerinnen von Hofgastein und besseren Gastwirthinnen des Thales. Damast und andere Seidenzeuge, ein städtisch zugeschnittenes Mieder und Corsett, mit Goldbördchen umstrahlt, der weiße Hut aus feinem, abgeriebenen Filze, mit schwerer Goldschnur umwunden, der Busen mit schweren, schönfarbigen Seidentüchern umhüllt, und mit starker Silberkette, ja auch mit Goldkettchen geschmückt, der schneeweiße Hals, an welchem Schnüre dunkelrother Granaten glühen; eine Haarnadel von Silber, vergoldet, am Köpfchen mit einem Kränzchen guter Perlen besetzt, -zeichnen eine Bürgerinn, oder das Mädchen aus einer wohlhabenden Familie vor anderen ihres Geschlechtes aus; und seltener schon erscheint das altnationale Sammthäubchen mit breiten, hochaufgestellten Biber- oder Marderpelzstreifen auf dem Haupte einer bemittelteren Thalsbewohnerinn.
Anmerkung: Die alte Schreibweise (Rechtschreibung) wurde beibehalten (ohne Gewähr).
Die Löwengrube entspricht der heutigen Evianquelle.

Charakter der Gasteiner

Ganz eigenen Idiotismen folgt die Mundart der Gasteiner, wie z. B. die Plaicke (Erdlawine), Bösdirrn (ein kleines Mädchen), Flötz (Stubenboden, Vorhaus) u.s.w. -
Arbeitsam und bei gesundem, natürlichen Verstand sollen sie sein und der neueren rationellen Landwirtschaft zugewandt. Sie sind im Ganzen fröhliche, ruhige, höfliche,
aber auch sehr empfindlich gegen Betrug, Druck und Schmälerung seines Rechtes.
Auch ist der Gasteiner sehr religiös und festhaltend an den äußeren Formen der Gottesverehrung, wie der nachfolgende Text von Muchar beschreibt.

Textauszug von Dr. Albert von Muchar, "Das Thal und Warmbad Gastein", 1834 aus dem Kapitel:
Lebensweise, Sitten und Gebräuche p. 135 - 136
Eigenheit der Gasteiner
Die Mundart der Gasteiner ist die Salzburgische, etwas singender, überhaupt weich und bequem ausgesprochen, ausgezeichnet durch alle jene Eigenheiten, welche unter allen Tauernbewohnern gewöhnlich sind, mit gar wenigen, den Gasteinern ganz eigenen Idiotismen.
Die Gasteiner besitzen einen gesunden, natürlichen Verstand, der sich schon in den Kindern allgemein zeigt; sie haben scharfen Beobachtungs- und Combinationsgeist, und sehr viel natürlichen Witz, der sich insbesondere in den wechselseitigen Trotzliedern der jungen Bursche bei Tänzen kund gibt. Sie sind genügsame, fleißige, arbeitsame Menschen, unermüdet in Bestellung ihrer Feld- und Alpenwirthschaft; und sie werden in ihrer Anhänglichkeit an die väterliche Feldmark selbst nicht durch den mühevollsten Kampf gegen alle, wider die Werke ihrer emsigen Hände so oft und so zerstörend losbrechenden Elemente erschüttert; und viele Landwirthe haben bereits uralte Vorurtheile abgelegt, und die Fortschritte und Verbesserungen der neueren rationellen Landwirtschaft auf ihren Gehöften angewendet.
Die Gasteiner haben unverdorbene, natürlich gute Gefühle. Sie sind im Ganzen fröhliche, ruhige, höfliche, zutraulich-offene, zuvorkommend-freundliche Menschen. Alle Gefielde umher feiern eine tiefe, heilige Stille, die nur von dem Jauchzen der Hirten unterbrochen wird. Denn mit der auffallenden Abnahme des älteren reichen Bergsegens, mit welchem auch der Wohlstand und der gewinnreichste Handel aus diesem Thale gewichen ist, - ist auch der bei den Religionsunruhen erschienene Rumorgeist aus dem Gasteinerthale gänzlich verschwunden. - Eben von daher haben die heutigen Bewohner des Gasteinerthales auch nicht jenes trotzigere Wesen, wie andere Bewohner des Hochlandes der Alpen. Eben von daher ist der Gasteiner sehr religiös und festhaltend an den äußeren Formen der Gottesverehrung, an das Bethen mit dem Rosenkranze in der Kirche und an das Wollfahrten. Indessen mag man aber doch auch sehr viele aus Bethbüchern in den Gotteshäusern sich erbauende, folglich des Lesens wohl kündige Thalsbewohner bemerken. Uebrigens ist der Gasteiner redlich und getreu im Handel und Wandel; bei seinem lichten Naturverstande aber auch sehr empfindlich gegen Betrug, Druck und Schmälerung seines Rechtes.
Seine edleren, unverdorbenen Gefühle legt der Gasteiner bei jeder Gelegenheit an den Tag. Er ist äußerst thätig und hülfreich beim Unglücke seiner Nebenmenschen in Feuer- und Wassernoth. Das Verhältniß der Aeltesten in den Familien, der Aelteren und Kinder ist patriarchalisch, und wird mit zarter, rührender Ehrfurcht beobachtet. Der greise Vater oder Großvater, die alte Mutter - sind immer die ersten und heiligsten Personen in den Familien; ihr Wort, ihr Rath, ihr Geboth hat nie aufgehört, ungeachtet Hab und Gut lange schon dem Sohne abgetreten worden, und durch ihn dem Hause bereits einen neue Familie herangewachsen ist. Sehr oft pflegen die Kinder die Grabstätten ihrer verstorbenen Aeltern zu besuchen, dabei zu bethen, sie mit Blumen zu bestreuen, mit Weihwasser und mit Thränen zu befeuchten. In den langen Winterabenden versammeln sich Familie und Dienstleute der Gasteiner an der traulichen Flamme des Herdes, und während die fleißigen Hände mit jenen Arbeiten, die für den Winter aufgespart worden, beschäftiget sind, verkürzen Gespräche, Scherze, Märchen und Erzählungen, Lehren und Warnungen aus dem Munde der Väter die Stunden, ganz so, wie Haller seine Alpenfamilien schildert.
Anmerkung: Die alte Schreibweise (Rechtschreibung) wurde beibehalten (ohne Gewähr).
Die Löwengrube entspricht der heutigen Evianquelle.
Weiterführende und verwandte Themen :
• Dokumentation : Gasteiner Tracht -
• Dokumentation :Bäuerliches Leben im 19. Jh. -
• Doku :Stammvolk Gastein - Koch-Sternfeld, 1820

SymbolSymbolSymbol
Anmerkung: Der Text wurde überwiegend dem Buch
"Das Thal und Warmbad Gastein" von Dr. Albert von Muchar, Grätz, 1834 entnommen.
Die alte Schreibweise (Rechtschreibung) wurde ohne Korrektur beibehalten (ohne Gewähr).

Hauptseite, Gastein im Bild
Doku-Themen - Dokumentation, Gasteinertal Home Inhaltsverzeichnis Ereignisse, Gasteinertal - Bilder-Galerie

Home Suche Inhaltsverzeichnis Bewohner Gasteins Geologie Animalia Plantae Ökologie Kunst & Kultur Biotope

Gastein im Bild - Dokumentation
Bewohner Gasteins - Albert von Muchar, 1834
© 2016 Anton Ernst Lafenthaler
d-mucharw